Ein unverständlicher Einsatz

Polizei jagt Klimaschützer mit Großaufgebot im Rheinischen Braunkohlerevier

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einem Großeinsatz im Hambacher Forst werfen linke Klimaschützer der Polizei Brutalität vor. Die wiederum vermag ihr massives Vorgehen nicht zu erklären.

Der Polizeieinsatz dauerte rund sieben Stunden, Verstärkungskräfte mussten aus einem Umkreis von 50 Kilometern herbei eilen, ein ganzes Waldgebiet wurde umstellt und Meter für Meter durchkämmt. Ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera, eine Hundestaffel – kein Mittel erschien der Dürener Polizei am Dienstag unangemessen, um drei Klimaschützer zeitweilig inhaftierten zu können. Die werfen der Polizei nun vor, ohne rechtliche Grundlage und mit brutaler Gewalt vorgegangen zu sein. Ein Aktivist habe gar kurz vor der Bewusstlosigkeit gestanden.

Er geht weiter: Der Konflikt um den Hambacher Forst, jenes Waldgebiet im Rheinischen Braunkohlerevier bei Köln, das dem Hambacher Tagebau weichen soll. Seit zwei Jahren kämpfen meist anarchistisch Gesinnte mit Aktionen zivilen Ungehorsams, mit Besetzungen, Blockaden und Demonstrationen gegen die Abholzung des Waldgebietes »für die Raubinteressen von RWE«. Sie sind gleichsam der radikale Flügel einer Bewegung, die auch etablierte Umweltverbände, die Linkspartei vor Ort und auch Teile der Grünen umfasst. Energieriese RWE betreibt im Braunkohlerevier drei Tagebaue und fünf Kraftwerke, die zu den klimaschädlichsten Europas gehören.

Nun mag der jüngste Polizeieinsatz nicht ganz so spektakulär gewesen sein wie die viertägige Räumung eines Besetzercamps Ende letzten Jahres, die bundesweit Schlagzeilen erzeugte und Kameramänner frohlocken ließ. Noch unspektakulärer jedoch sind die Gründe, die zum diensttäglichen Großeinsatz führten.

Eine nicht genannte Zahl von RWE-Mitarbeitern wurde demgemäß »bedroht und gleichzeitig genötigt«, ja »attackiert«, als sie »Barrikaden und Gefahrenstellen« im Hambacher Forst beseitigen sollten. »Zehn bis 15« Personen seien »den Angegriffenen« vor den Traktor gesprungen und hätten den Fahrer aufgefordert, das Fahrzeug anzuhalten. Auch sei – zumindest »nach bisherigen Erkenntnissen« – »ein Baumstamm mit Stahlseilen über einen Weg gespannt« gewesen. Soweit die offizielle Begründung der polizeilichen Sieben-Stunden-Aktion, die die subjektiven und möglicherweise interessengeleiteten Vorwürfe von RWE wiederkäut, als wären diese objektive Fakten.

Für den Sommer ist wieder ein großes Klimacamp im Revier geplant – mit entsprechenden Aktionen. RWE ist nicht begeistert. Der in der Region übermächtige Energieriese überzieht seine Gegner mit einer dreistelligen Zahl von Strafanzeigen und Strafanträgen.
Auch Jonas Zimmermann hat in diesen Tagen Post bekommen. Satte 500 Seiten umfasst die Zivilklage, die sich auf jene Aktion bezieht, mit der der Aktivist bei der Camp-Räumung im November zum zeitweiligen Promi mutierte. Vier Tage lang hatte der 27-Jährige in einem unterirdischen Tunnelsystems ausgeharrt, mit der Polizei Katz und Maus gespielt, um die Räumung des Camps zu verzögern. Nein, sagt der Tunnelmann, er habe noch keine Zeit gefunden, in die Juristen-Schrift zu schauen. Er müsse nämlich weitere Aktionen vorbereiten.

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