nd-aktuell.de / 14.06.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 16

Suppenküchen für Studenten

Unter Frankreichs akademischem Nachwuchs macht sich eine immer größere Armut breit

Andrea Klingsieck, Paris
Damit sich Studenten in finanzieller Notlage nicht allein von Nudeln ernähren müssen, eröffnen auf immer mehr französischen Universitätsgeländen Tafelläden.

Frankreichs Studenten geht es immer schlechter. Die »Nationale Studentenunion Frankreichs« (Unef) zeigt in ihrer jüngsten Untersuchung über die Kosten eines akademischen Jahres, dass »die Studenten im Durchschnitt doppelt so schnell verarmen wie der Rest der Bevölkerung.« Grund dafür sind die kontinuierlich steigenden Lebenshaltungskosten - nach Angaben der Unef plus 3,7 Prozent für 2012/2013 - sowie die zunehmende Verarmung der Eltern, die ihre Kinder nicht mehr ausreichend unterstützen können.

Ein mit Deutschland vergleichbares Bafög gibt es in Frankreich nicht. Banken vergeben Kredite nur an jene Studenten, deren Studiengang nach Abschluss eine schnelle Anstellung und gute Gehälter verspricht. 80 Prozent der französischen Studenten haben kein Anrecht auf ein Stipendium. Deshalb müssen immer mehr von ihnen nebenbei arbeiten, um ihren Lebenshaltungskosten zu decken. 2006 waren in Frankreich 48 Prozent der Studenten werktätig. 2012 stieg diese Quote auf 73 Prozent.

Dabei geht der Nebenjob oft auf Kosten des Studiums. Die Unef schätzt, dass ein Student der nebenbei mindestens 15 Stunden pro Woche arbeitet ein doppelt so hohes Risiko eingeht bei seinen Prüfungen durchzufallen, als ein Student der nicht arbeiten muss. Deshalb starten gerade Studenten aus bescheidenen Verhältnissen mit deutlich schlechteren Erfolgschancen. Der Hauptgrund für die steigenden Lebenshaltungskosten ist die rasante Verteuerung der Mieten in allen größeren französischen Städten, insbesondere in Paris und seiner Umgebung, wo ein Viertel der französischen Studenten leben. Nur sieben Prozent der Studenten finden einen Platz in einem der Wohnheime des Studentenwerks CROUS. Für alle anderen stellt die Miete eine derart große Ausgabe dar, dass nicht mehr viel zum Leben übrig bleibt.

Vielen Studenten bleibt deshalb nichts anderes übrig, als bei anderen Ausgaben zu sparen, insbesondere bei der Gesundheit und der Ernährung. So haben bereits im Jahr 2010 laut einer Untersuchung ein Drittel der Studenten aus Kostengründen mindestens drei Frühstücke in der Woche auslassen Auch in den Suppenküchen nimmt die Anzahl der Studenten seit Jahren kontinuierlich zu. Deshalb haben Studentenverbindungen auf den Campus mehrerer französische Universitäten Tafelläden eröffnet; der erste davon 2011 in Lyon, gefolgt von Nizza, Brest, Poitiers und Nancy. Der inzwischen sechste Tafelladen wurde dieser Tage in der Uni Paris-Sud in Orsay eröffnet.

Der Zugang zu den Tafelläden ist auf Studenten in finanzieller Notlage beschränkt und muss zuvor beim Studentenwerk betragt werden. Dieses vergleicht die Festausgaben und Einkommen des Studenten. Bleiben ihm unter dem Strich weniger als sieben Euro pro Tag zum Leben, so kann er für eine monatlich begrenzte Summe in dem Tafelladen einkaufen. Dort findet er die geläufigsten Lebensmittel des täglichen Bedarfs sowie Hygieneartikel. In der Regel kosten diese nur 10 Prozent des Preises, den man für den gleichen Artikel in einem normalen Supermarkt zahlen müsste.