Aus Luft- wird Lustschloss?

Das Humboldtforum - Welthaltige Fülle in der alten Hülle

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 4 Min.

Nichts da mehr mit grünem Rasen, der Wiese am Spreebogen, jetzt in zweckdienlicher Behauptung, das heißt fälschlich, die Mitte Berlins genannt. Nichts mehr mit freier Fläche zum Luftholen, die, nach dem Abriss des Palasts der Republik, ein Feld für den freien Flug der Gedanken hätte sein können, der Überlegungen, was, mit weitem Blick in die Zukunft, für diesen geschichtsträchtigen Ort »sinnstiftend« (Bruno Flierl) wäre. Die Lücke in der Stadtmitte ist ein Buddelplatz. Der Grundstein ist gelegt: für die Teilreplik des barocken Hohenzollernsitzes mit musealem und aktuellem kulturellen Innenleben, also das »Berliner Schloss - Humboldtforum«, zu dem sich die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten 2002 überreden ließ.

Grundstein. Rechtzeitig noch vor der Bundestagswahl. Die Politik wollte Tatsachen schaffen. Das hat sie, wie man nun sieht, und der Bau des Schlosses sei »unverrückbare Wirklichkeit«. Das erleichterte Sich-gegenseitig-auf-die-Schulter-Klopfen offenbart sich in jedem offiziellen Satz. Man hat's auch nötig. Denn die Akzeptanz für ein Nostalgieprojekt mit fragwürdiger nationaler Botschaft an die Welt und ihr nachträglich implantiertes Feigenblatt mit Leibnitz'schem und Humboldt'schem geistigen Nachfolgeanspruch war aus vielen guten Gründen deutschlandweit nicht groß. Und zunächst hatte die Politik eine Form bestellt, nicht aber Inhalt. Ein Luftschloss. Eine Blase mit vielen Ecken, Kanten und lustigen Zipfeln.

Nur die Schloss-Idee war da und die privat organisierte Schloss-Attrappe, die 1993/94 das Areal bespielte. Die bemalte Plane, die Schlossdimensionen vor Augen führend und alle Zweifel erschlagen wollend, argumentierte für die Rekonstruktion des gewaltig auftrumpfenden Bauwerks. Die hatte überdies dem längst politisch gewollten Palast-der-Republik-Abriss, an dem sich ein Ost-West-Konflikt entzündete, Legitimation zu geben. Doch die Wogen des Protestes, der Debatten schlugen hoch. Der Konflikt: Nostalgiker, die nach der eben zusammengewürfelten Einheit Deutschlands eine Geste imperialer Macht nicht scheuten, also Traditionalisten preußischen Protzes, denen zudem die moderne Architektur durch ihr Schwächeln im Funktionalen Wasser auf die Mühlen gaben, kontra Modernisten.

Was das Innenleben der Hohenzollernhülle anbelangt - es hätte auch anders, schlimmer kommen können. Es wurde pro Humboldtforum entschieden. »Anders zur Welt kommen« versprachen in einer ersten konzeptionellen Ausstellung die zukünftigen Nutzer: Staatliche Museen - Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit ihren außereuropäischen Sammlungen, die dadurch aus dem maroden, touristenunfreundlich abgelegenen Dahlemer Standort umziehen können, Humboldt-Universität mit Schätzen ihrer Wissenschaftssammlung und die Zentral- und Landesbibliothek mit speziellen Teilen. Eine Mischung aus Museum, Bibliothek und Veranstaltungsort. Ihr Eintrittsbillett. Wo es nach Restauration alten Preußengeistes oder nach Kommerz hätte riechen können, gab es die inhaltliche Umstiftung, wonach das Humboldtforum ein demokratischer Ort einer zukünftigen Weltgemeinschaft sein werde, ein Forum der eigenen Selbstverständigung, der Selbstfindung. Man spielte auf der Klaviatur höchster Töne. Und schneiderte das Ganze eine Nummer größer als das verdienstvolle Haus der Kulturen der Welt, das sich ganz auf Zeitgenössisches konzentriert.

Die Platzierung der Schlossnutzer, arg verschiedene Teile, wollte so recht kein Ganzes ergeben, das mehr als schlichte Summe bedeutet. Um ihr künftiges Dasein im gut vierzigtausend Quadratmeter Fläche über drei Etagen anbietenden Haus zu rechtfertigen, musste so mancherlei ersonnen werden, was über die bislang üblichen und durch den Zug der Zeit auch in Frage stehenden Funktionen dieser Einrichtungen hinausging. Nach gründlichstem »Zielführen« bei allen Eingemieteten hat jetzt der Schweizer Kulturmanager Martin Heller - extra dafür bestellt und für seine Aufgabe ein äußerst fähiger Mann - ein Konzept vorgelegt, nach dem nun alle Beteiligten mitspielen können - und müssen. Es hat etwas eindringlich Beschwörendes, diese detailliert ausgeführten Vorstellungen, wie alles ineinandergreifen soll. Das Centre Pompidou in Paris ist das Vorbild - das natürlich übertroffen werden soll.

Wer Arges dabei denkt, kann vermuten, dass es hinter den Kulissen knirscht und reibt. Die Zeit drängt, die Ansprüche sind hoch, alles kostet irrsinnig viel Geld. Und es ist nicht zuletzt die Janusköpfigkeit des ganzen Unternehmens, das sich in dieser kaschierten Aufgeregtheit zeigt: hie die Symbolik der an Stahl und Beton angezwickten sandsteinernen Brosche, da die Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der Welt mit der sich verändernden Rolle Europas und Deutschlands insbesondere.

»Zurück in die Zukunft« oder Vorwärts in die Vergangenheit - beim finanziell ausladendsten Kulturvorhaben der Bundesrepublik, auch das größte Kulturprojekt der Nation genannt, kommt es aufs selbe heraus. - »Fast überall, wo es Glück gibt, gibt es Freude am Unsinn«, stellte einst Nietzsche fest. Na, dann mal los.

www.preussischer-kulturbesitz.de, www.humboldt-forum.de.

Ab 18.6. bis zum 27.10. will das Humboldt Lab Dahlem u.a. mit einer Ausstellung erneut eine Probebühne - kein Marketingobjekt - für das Humboldtforum sein.

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