Necas resigniert - unter Druck

Sozialdemokraten und Kommunisten Tschechiens fordern Neuwahlen

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.
Es war nur ein kurzer Dienstausflug nach Polen am Sonntag. Noch in der Nacht zum Montag erklärte der aus Warschau zurückgekehrte tschechische Premier Petr Necas das Ende seiner Regentschaft.

Er übernehme die politische Verantwortung für die Geschehnisse in seiner Kanzlei, erklärte der tschechische Premier Petr Necas am Montag nach einem Treffen von Funktionären seiner Partei. Necas tritt sowohl vom Amt des Regierungschefs als auch vom Vorsitz der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) zurück. Er wolle sich ganz aus der Politik zurückziehen, sagte der 48-Jährige.

Necas stellte sich damit vor seine inzwischen in Haft befindliche Kanzleichefin Jana Nagyova. Die agile Politfrau gilt als Kopf des wohl größten Korruptions- und Bespitzelungsskandals in der jungen Geschichte der Tschechischen Republik. Dass der Premier, an dessen Seite Nagyova zehn Jahre lang in enger Verbundenheit verbracht hatte, von ihren Aktivitäten nichts bemerkt haben sollte, erschien von Anfang an unwahrscheinlich. Nagyovas Anwalt erklärte inzwischen, sie habe den Skandal vom Premier abzuwenden versucht und sei daher ins Visier der Ermittler geraten. Die weiteren Untersuchungen der Spezialeinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens unter Robert Šlachta und dem Oberstaatsanwalt von Olomouc, Ivo Ištvan, werden ergeben, inwieweit die politischen Spitzen um Necas in den Skandal verwickelt waren.

Der sozialdemokratische Oppositionsführer Bohuslav Sobotka (CSSD) erklärte, es gehe nicht nur um die Person des Ministerpräsidenten, der ganze »ODS-Klüngel« sei faul. Das hätten nicht nur die Skandale der dreijährigen Regierung unter Necas gezeigt, das habe sich bereits in den Regierungsjahren Mirek Topolaneks erwiesen. Sobotkas Schlussfolgerung: Die ODS dürfe nicht weiter die Regierung stellen. Er hoffe, so der CSSD-Vorsitzende vor der Presse am Montagnachmittag, dass Staatspräsident Milos Zeman vorgezogene Neuwahlen ansetzen werde. Eine weitere Chance habe die ODS nicht verdient. Die gegenwärtige Koalition habe ausreichend Möglichkeiten gehabt, eine für das Land nützliche Politik umzusetzen. Auch der Vorsitzende der Kommunistischen Partei (KSCM), Vojtech Filip, sprach sich für die Auflösung des Parlaments und für Neuwahlen aus.

Petr Necas war 2010 angetreten, um gegen die Korruption vorzugehen. Der Juniorpartner der ODS, Veci verejne (VV - Öffentliche Angelegenheiten) unter dem Fernsehjournalisten Radek John, hatte nur deshalb den Einzug ins Parlament geschafft. Doch in drei Jahren musste Necas fast alle seine Minister auswechseln - darunter auch John als Innenminister -, weil sie in Skandale und Korruptionsaffären verstrickt waren. Nun hat es den Premier selbst erwischt.

Ungeachtet dessen beharren die ODS und ihre Koalitionspartner - die TOP 09 unter Außenminister Karel Schwarzenberg und die aus VV hervorgegangene liberaldemokratische Partei LIDEM - auf der Fortsetzung ihrer Regierung. Necas selbst appellierte an Präsident Zeman, er möge die parlamentarische Demokratie respektieren und den amtierenden Parteien wiederum den Regierungsauftrag erteilen.

Unter Necas hatte die ODS zwar 2010 ein historisch schlechtes Wahlergebnis eingefahren, doch Präsident Vaclav Klaus, früher selbst ODS-Mitglied und ausgesprochener Gegner der Sozialdemokratie, hatte Necas mit der Bildung der Koalitionsregierung betraut.

Allerdings verfügt die Koalition nur über die knappe Mehrheit von einer Stimme im 200-sitzigen Abgeordnetenhaus, souverän kann sie damit nicht regieren. Und gerade darum dreht sich der Skandal: Bereits im Herbst vergangenen Jahres stand die Koalition vor dem Aus, drei ihrer Abgeordneten lehnten einen Steuergesetzentwurf ab, in einer Abstimmung hätte die Regierung den Kürzeren gezogen. Doch plötzlich lenkten die drei Abweichler ein, zogen sich zurück und wurden mit lukrativen Aufsichtsratsposten in Staatsbetrieben belohnt.

Wer könnte einer neuen Koalition vorstehen? Den Parteivorsitz der ODS übernimmt der bisherige Stellvertreter, Industrieminister Martin Kuba. »Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen«, sagte er am Montag. Aber auch der ehemalige Justizminister Jiri Pospisil oder Verkehrsminister Zbynek Stajura könnten kandidieren. Allen Dreien haftet jedoch das Kainsmal der Verstrickung in Affären an. Sollte einer von ihnen das Amt des Premiers erhalten, dürfte er ohnehin nur bis zu den regulären Wahlen im Frühjahr 2014 regieren. Derzeit wären die Sozialdemokraten klare Wahlfavoriten.

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