Prozess gegen Aktivisten der Oury-Jalloh-Initiative
Angeklagter soll Polizisten bedroht haben
Am Amtsgericht Magdeburg läuft derzeit ein Gerichtsverfahren gegen einen Aktivisten der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Ihm wird vorgeworfen, im November vergangenen Jahres bei einer Mahnwache in Magdeburg 18 Polizisten beleidigt und sechs Beamte mit dem Tod bedroht zu haben. Ferner soll er Umstehende aufgefordert haben, mit Steinen auf Polizeibeamte zu werfen. Sollte das Gericht ihn für schuldig befinden, muss er mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe rechnen. Die Initiative weist die Vorwürfe jedoch zurück und spricht von einem »politischen Prozess«. Die Anzeigen seien »lächerlich« und »aus dem Ärmel gezaubert«.
Am ersten Prozesstag am 7. Juni zeigte sich, dass das Hauptproblem der Staatsanwaltschaft darin bestehen dürfte, glaubhaft zu machen, dass es ausgerechnet der Angeklagte war, der sich der Vorwürfe schuldig gemacht hat. Zwei Mitarbeiterinnen des Malteser Hilfsdienstes jedenfalls, die als Zeuginnen geladen waren, konnten ihn vor Gericht nicht als Täter identifizieren. Es sieht so aus, als würde nun Kriminalrat Frank S., Leiter des Staatsschutzes der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord, der Hauptbelastungszeuge in dem laufenden Verfahren werden - und in der Regel zweifeln deutsche Gerichte nicht an den Aussagen von Polizeibeamten.
Skepsis scheint jedoch angebracht. Der Sierra Leoner Jalloh starb 2005 bei einem Brand in Polizeigewahrsam in Dessau. Nach Angaben der Polizei hat er sich - mit gefesselten Händen - selbst angezündet. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hatte immer wieder Druck gemacht, damit der Tod aufgeklärt wird. Es scheint, als werde im aktuellen Fall versucht, mit der Anzeige gegen eine Einzelperson stellvertretend die ganze Initiative zu kriminalisieren.
Im ersten Prozess 2008 um den Tod von Jalloh hatte Richter Manfred Steinhoff »Schlamperei« und »Falschaussagen der Beamten« beklagt. Damals war der begründete Verdacht entstanden, die Polizei sei mehr auf die Wahrung des eigenen Rufes als auf die Aufklärung des Todes Jallohs bedacht. Seit der Verurteilung des damaligen Dienstgruppenleiters wegen fahrlässiger Tötung in einem Revisionsprozess Ende 2012 darf jedoch als sicher gelten, dass es tatsächlich ein Fehlverhalten von Polizeibeamten gegeben hat. Die Einschätzung der »fahrlässigen Tötung« sieht die Initiative jedoch als grobe Untertreibung für das, was sich damals in Dessau wirklich abgespielt hat. Es ist wahrscheinlich, dass der Fall erneut dem Bundesgerichtshof übergeben wird, da abermals Revision beantragt wurde.
Der aktuelle Prozess wird heute in Magdeburg fortgesetzt. Es soll bereits der letzte Verhandlungstag sein, doch da die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen Richterin Konstanze Nolte gestellt hat, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie es tatsächlich weitergehen wird. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh hat dazu aufgerufen, zahlreich vor Ort zu erscheinen, um Solidarität zu zeigen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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