Sicher und auskömmlich

Befragung der IG Metall zeigt, was Beschäftigten im Arbeitsleben wichtig ist

  • Hans-Gerd Öfinger, 
Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
In den Monaten vor der Bundestagswahl möchte die IG Metall die politischen Akteure mit sozialen Alltagsfragen ihrer Mitglieder konfrontieren und für mehr direkte Einmischung auch über den Wahltag hinaus werben.

»Die Beschäftigten sind es leid, dass an ihnen vorbei regiert wird«, erklärte IG Metall-Vizechef Detlef Wetzel bei der Präsentation einer großen Beschäftigtenbefragung am Dienstag in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale. »Viele Menschen fühlen sich in ihren Alltagssorgen in der Politik nicht mehr ausreichend wahrgenommen.« Die IG Metall hatte sich im Frühjahr in ihrem Organisationsbereich mit Fragebögen nach der Stimmung und vorrangigen Anliegen der Beschäftigten erkundigt und die anonymen Rückantworten von über 514 000 Menschen aus rund 8400 Betrieben ausgewertet. 31 Prozent der Befragten sind keine Gewerkschaftsmitglieder.

Weil die Zahl der Beteiligten die Erwartungen übertraf und sich in der traditionellen »Männergewerkschaft« IG Metall auch viele Frauen, jüngere Arbeitnehmer und höher Qualifizierte beteiligt hätten, habe die Befragung durchaus »repräsentativen Charakter«, so Wetzel. Auch Gewerkschaftschef Berthold Huber empfahl den Parteien, sich mehr mit den Sorgen und Nöten der Beschäftigten zu befassen.

Markante Ergebnisse der Befragung sind der weit verbreitete Wunsch nach sicheren Arbeits- und Lebensperspektiven und die Ablehnung prekärer Arbeitsbedingungen. So bezeichnen 88 Prozent einen unbefristeten Arbeitsplatz als »sehr wichtig«. 90 Prozent fordern die Eindämmung des Niedriglohnsektors, 97 Prozent wünschen »Erhalt und Stärkung sozialer Sicherungssysteme«. Sehr stark in den Köpfen verankert ist auch die Forderung nach strikter Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen.

Während nur vier Prozent von ihren gesetzlichen Rentenerwartungen »gut« und 35 Prozent »gerade noch« leben können, sind sich 42 Prozent sicher: »Es wird nicht ausreichen«. Dabei sieht sich nur ein gutes Viertel der Befragten derzeit finanziell in der Lage, durch private Modelle die Rentenerwartung deutlich zu verbessern. Unübersehbar sind auch Wünsche nach mehr altersgerechten Arbeitsplätzen, Weiterbildung, besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Ausgleich für Flexibilität im Arbeitseinsatz.

»Wer die Arbeitnehmerschaft bei Einschnitten wie der Rente mit 67 vor einschneidende und vollendete Tatsachen setzt, braucht sich über Wahlmüdigkeit nicht zu wundern«, sagte Wetzel und spielte damit auf die hohe Zahl von 18 Millionen Nichtwählern bei der Bundestagswahl 2009 an. Mehr Beteiligungsmöglichkeiten zwischen den Wahlterminen seien »Sprit für den Veränderungsmotor«, so der Gewerkschafter.

Deshalb fordere die IG Metall neben einer Stärkung der Volksentscheide auf allen Ebenen auch mehr individuelle Mitspracherechte rund um den Arbeitsplatz. »Wir alle müssen mehr Beteiligung wagen«, so Wetzel: »Die Beschäftigten sind die wahren Experten im Betrieb.« Mit dieser Botschaft will die IG Metall auch für die Betriebsratswahlen im Frühjahr 2014 mobil machen.

In der heißen Wahlkampfphase möchte die Gewerkschaft bundesweit in Veranstaltungen und Aktionen die Ergebnisse der Befragung in den Mittelpunkt rücken und zu einer hohen Wahlbeteiligung aufrufen. Eine konkrete Wahlempfehlung zugunsten einer bestimmten Partei werde es nicht geben, erklärte Huber, der auf Anfrage erkennen ließ, dass er sich auch die Neuauflage einer »Großen Koalition« aus CDU/CSU und SPD vorstellen könne, wie sie bereits von 2005 bis 2009 bestand.

So habe er nach dem Ausbrechen der Wirtschaftskrise 2008/2009 durch gute Beziehungen zum damaligen Bundesarbeitsminister und heutigen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) »erfolgreiche Instrumente« wie die »Abwrackprämie« für Altautos oder großzügige Kurzarbeitsregelungen erreichen können. Solche Instrumente könnten künftig wieder nötig werden und »wären unter Schwarz-Gelb nicht möglich gewesen«, meinte Huber.

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