Liebe geht nicht durch den Magen

Amerikanerin setzt ihr Kind auf eine »öffentliche« Radikaldiät

  • Sebastian Moll
  • Lesedauer: 3 Min.
Dara-Lynn Weiss hat ihr Kind auf eine radikale Diät gesetzt und darüber ein Buch geschrieben. Damit hat sie in den USA für heftige Kontroversen gesorgt. Jetzt erschien ihr Buch in Deutschland.

Mit einer Debatte hat Dara-Lynn Weiss gerechnet. Die Wucht des Zorns überraschte sie dann doch. Bereits im April des vergangenen Jahres hatte sie in der amerikanischen »Vogue« erzählt, wie sie mit eiserner Strenge ihre übergewichtige sieben Jahre alte Tochter auf ein normales Gewicht herunter gehungert hatte. Sprachlos sei sie über die Angriffe. »Das hat mich umgehauen«, sagte sie dem »New York Magazine«.

Weiss wurde der exzessiven und selbstsüchtigen Grausamkeit gegenüber ihrem Kind bezichtigt. Die »Huffington Post« sprach vom »schlimmsten Vogue-Artikel aller Zeiten.« Die Bloggerin Mom de Guerre sagte bissig, dass Weisses Tochter Bea ihrem Therapeuten in Zukunft nur die fragliche »Vogue« mitbringen müsse, dann werde er ihre Neurosen sofort verstehen. Die feministische Internetseite »Jezebel« nannte Weiss »die verkorksteste, egoistischste Frau, die je in der ›Vogue‹ gestanden hat.«

Daran, dass Dickleibigkeit - oder so genannte Adipositas - unter Kindern ein gravierendes Gesundheitsproblem ist, kann kein Zweifel bestehen. 17 Prozent aller amerikanischen Kinder sind adipös, die Zahl hat sich in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdreifacht. In Deutschland sind die Zahlen nicht wesentlich hübscher - 15 Prozent der deutschen Kinder wiegen zu viel - mit allen bekannten Folgen für die Gesundheit: zu hoher Blutdruck, erhöhtes Risiko von Diabetes sowie von Herz- und Kreislauferkrankungen.

Weiss jedenfalls hätte es nicht vor sich verantworten können, tatenlos zu bleiben, nachdem ihr Kinderarzt ihr sagte, die kleine Bea sei gefährdet. Und so entschied sie sich für ein entschlossenes, konsequentes Programm der Ernährungsumstellung. Ab sofort wurde genauestens auf Kalorienzahlen geachtet, süße oder fettige Lebensmittel waren tabu. Mahlzeiten wurden konsequent eingehalten, Naschereien zwischendurch unterbunden. Es gab nur noch Diät-Cola und für den Hunger zwischendurch nur noch Obst. Außerdem wurde ein strenger Sportplan aus Schwimmen und Judo eingeführt. »Es war kein Spaß«, sagt Weiss, »es war ein täglicher Kampf.« Aber er zeigte Erfolg - Bea hat heute für ihr Alter und ihre Größe Normalgewicht.

Weiss, so ihre Kritiker, habe ihre eigenen Neurosen um das Essen und ihre Figur auf ihr Kind projiziert und der kleinen Bea damit irreparablen seelischen Schaden zugefügt. Sie habe Bea öffentlich erniedrigt, ihr Verhältnis zu ihrem Körper permanent gestört und sie dann aus Geltungssucht auch noch durch die Medien gezerrt. »Die Ekelhaftigkeit des Artikels«, schrieb »Jezebel«, »wird nur von den begleitenden Fotos überschattet, in denen sie gemeinsam mit ihrer traumatisierten Tochter in Designerminiröcken kichernd Tee schlürft.«

Einige der Kritikpunkte nimmt Weiss, deren Buch »Wonneproppen« am Montag auf Deutsch erschien, mittlerweile durchaus an. »Ich war streng, manchmal sogar grob«, sagt sie. Wofür sie sich jedoch nicht entschuldigen mag, ist ihre Entscheidung, das Übergewicht ihrer Tochter frontal anzugehen, anstatt aus Furcht davor, ihr Selbstwertgefühl zu verletzen, untätig zu bleiben.

Das Urteil, ob Weiss die seelische Gesundheit ihrer Tochter der körperlichen geopfert hat, steht freilich noch aus. Weiss ist nicht davor zurückgeschreckt, Bea öffentlich bloß zu stellen. Sie hat ihr süße Getränke, die sich Bea bestellt hat, mitten im Starbucks aus der Hand genommen und weggeschmissen. Sie hat ihr bei Partys den Nachtisch, der schon vor ihr stand, wieder weg genommen. Und darüber, ob es nötig war, sich von »Vogue« ablichten zu lassen, kann man ebenfalls streiten.

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