nd-aktuell.de / 21.06.2013 / Kultur / Seite 10

Nur keine schwere Kost

Shakespeare Company spielt »Macbeth« im Natur-Park Schöneberger Südgelände

Anouk Meyer

Ausgerechnet »Macbeth«, diese düstere Tragödie um Ehrgeiz und Schuld, als sommerlich-lockere Freiluft-Komödie: Kann das funktionieren? Die Antwort vorneweg: Leider nicht - obwohl man dem spielfreudigen Ensemble der Shakespeare Company Berlin den Erfolg gegönnt hätte. Doch trotz großartiger Kulisse mit Birkenhain und wie auf Bestellung krächzenden Krähen im Natur-Park Schöneberger Südgelände ist der Kontrast zwischen den sorglos eingestreuten Slapstick-Elementen und dem finsteren Grundtenor der Inszenierung einfach zu groß.

Dabei haben sich Regisseur Uwe Cramer und Dramaturg Stephan Weiland im Vorfeld jede Menge Gedanken über eine moderne Lesart dieses blutigen, pessimistischen Stückes des englischen Altmeisters gemacht. Vielleicht zu viele Gedanken: Aus Furcht, altmodisch oder gar frauenfeindlich zu erscheinen, wurden nicht nur die Hexen-Szenen gestrichen, auch Macbeth und seine ihn zum Königsmord anstachelnde Gattin tauschen immer wieder in verwirrender Weise die Rollen; im 2. Akt muss Benjamin Plath, der bis dahin einen hübschen und glatten Macbeth gab, ohne Unterlass Hände und Boden schrubben und liegt irgendwann leblos da, während Elisabeth Milarch, die die Lady Macbeth als derbes Flintenweib spielt, kurzerhand in die Rolle ihres Mannes schlüpft und am Ende dessen Kämpfe austrägt. Verwirrend, selbst wenn man das Stück gut kennt.

Dass der Rest des sechsköpfigen Ensembles sämtliche Rollen und dazu noch diverse Instrumente spielt, macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Vollblutfrau Katharina Kwaschik überzeugt vor allem als Lady Macduff, wirkt aber als Macbeths Kampfgefährte Banquo in engem Rock und Lackpumps arg karikiert. Erik Studte dagegen empfahl sich wohl wegen seines gekonnt imitierten sächsischen Dialekts als Hofnarr der Inszenierung; ob als Soldat oder Überbringer schlechter Nachrichten, stets beendet er seine Sätzen mit gutgelauntem »Nu«. Da passen Stefan Plepp und Oliver Rickenbacher, beide ein wenig mitgenommen, zerzaust und blutverschmiert, schon weitaus besser ins Bild - ob sie nun Soldaten, Mörder oder den Malcolm bzw. Macduff geben.

Das eigentliche Problem aber ist die Unentschiedenheit der Inszenierung. Auf durchaus gelungene, die Ambivalenz zwischen Machthunger und Moral fokussierende Szenen folgen alberne Clownereien oder doppelt gesprochene Monologe, die durch die darüber gelegte schrille Live-Musik (Henry Mex) gänzlich unverständlich werden. Selbst der berühmte Dolch-Monolog Macbeths, der dem heimtückischen Mord an König Duncan vorausgeht, vermag so nicht wirklich zu fesseln; eher entfalten beiläufig dahingeworfene Sätze wie »Ich kenn’ den Täter. Mich will ich nicht mehr kennen« eine innere Kraft, die man der Inszenierung öfter gewünscht hätte.

Schon in der Anfangssequenz wird das Fiktive des im 11. Jahrhundert spielenden Dramas um das ehrgeizige Ehepaar Macbeth, das um der Krone willen den König ermordet und schließlich Verstand und Leben verliert, betont; die pantomimenhaft weiße Schminke auf den Gesichtern der in olivfarbenen Uniformen steckenden Darsteller schafft zusätzlich eine zwischen Drama und Commedia dell’ arte angesiedelte Atmosphäre, die zur clownesken Spielweise des Ensembles passt - nicht aber zum Stück.

Man wird den Verdacht nicht los, dass der »Macbeth«, diese großartige psychologische Studie eines zwischen Ehrgeiz und Gewissen aufgeriebenen Geistes, weder dem Regisseur noch den Darstellern besonders liegt. Hin- und hergerissen zwischen der brutalen Handlung und dem selbst auferlegten Zwang, als Sommertheater nur keine zu schwere Kost zu bieten, pendeln die Szenen unentschlossen zwischen hysterischer Fröhlichkeit, Ambition und aus Puppenköpfen spritzendem Kunstblut. Ab und zu blitzt aber doch das wahre Talent der Shakespeare Company auf - meist dann, wenn spielerisch vom Originaltext abgewichen wird. Wie am Schluss, wenn auf eine kurze Theorie des Klassenkampfes eine wahre Gewaltorgie folgt - Regierende aller Epochen gehen sich gegenseitig an die Gurgel und murksen sich, hohle Phrasen intonierend, gnadenlos ab. Jeder gegen jeden.