nd-aktuell.de / 22.06.2013 / Kultur / Seite 26

Steinbrück Weinbrück

Ein Politiker weint, zeigt Emotionen, und das auf offener Bühne. Nicht irgendein Politiker auf irgendeiner Bühne, sondern Peer Steinbrück im öffentlichen Raum einer SPD-Veranstaltung. Aus Steinbrück wird in vielen Medien Weinbrück, dem SPD-Kanzlerkandidaten wird vorgehalten, er habe den Tränenausbruch aus Wahlkampfkalkül inszeniert.

Das lässt sich ebenso wenig widerlegen wie die Gegenthese, hier habe ein Mensch inmitten eines Parteiapparats die Maske der inszenierten Selbstbeherrschung für einen Moment abgelegt. Dialektik der Kulturindustrie: Im Medienbetrieb kann nichts mehr Anspruch auf Authentizität erheben, weil eben alles schon Inszenierung ist. Obama vor dem Brandenburger Tor in gleichem Maße wie der Protest auf der Straße. Noch die stärkste Gemütsregung setzt sich des Verdachts aus, kalkulierte Inszenierung zu sein. Kein Bild kann mehr die naive Unschuld für sich beanspruchen, nichts anderes sein zu wollen, als Wiedergabe von Wirklichkeit. jam