nd-aktuell.de / 22.06.2013 / Politik / Seite 6

Alte Kunst und neue Technologien

Ausstellungsstreit überschattete Merkels Teilnahme am Petersburger Wirtschaftsforum

Irina Wolkowa, Moskau

Aus einem glanzvollen Abschluss des Deutschlandjahrs in Russland und des Arbeitsbesuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in St. Petersburg wäre beinahe nichts geworden - wegen des Streits um Beutekunst.

Unmittelbar vor dem Abflug aus Berlin nach St. Petersburg hatte die russische Seite Begrüßungsworte Merkels und des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Eröffnung der Ausstellung »Bronzezeit« gestrichen. Die Teilnahme beider Politiker wurde zunächst abgesagt. Am Abend ging es aber doch. Vor der Presse sah Putin gar kein »Problem«, Merkel »das Problem als solches gelöst«. Der gemeinsamen Eröffnung stand nach vorhergehenden Turbulenzen nichts mehr im Wege.

Am Projekt »Europa ohne Grenzen« hatten Wissenschaftler beider Länder - darunter des Berliner Museums für Ur- und Frühgeschichte - mehrere Jahre gearbeitet und Kostbarkeiten aus ihren Magazinen beigesteuert. Das Problem: Russland zeigt dabei auch »Beutekunst«: Kriegstrophäen, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die Sowjetunion verbracht wurden. Darunter der Goldschatz von Eberswalde. Deutschland verlangt seit Jahren die Rückgabe der Kunstschätze, erzielte aber nur Teilerfolge

Während Kirchen und private Sammler sich wieder an ihren Schätzen erfreuen können, sperrt Moskau sich bei staatlichen Museen gegen die Restitution und spricht von Kompensationen für die Verluste, die russischen Museen durch den deutschen Überfall im Juni 1941 entstanden sind.

Nicht nur das »Beutekunstproblem« trübt die deutsch-russischen Beziehungen. Für Verstimmung der jeweils anderen Seite sorgen auch unterschiedliche Positionen zu Syrien und anderen internationalen Problemen. Dazu kommt das Vorgehen der Behörden gegen Repräsentanzen deutscher politischer Stiftungen in Russland, die im Frühjahr durchsucht worden waren.

Mehr oder minder harmonisch sind derzeit nur die Wirtschaftsbeziehungen. Deshalb war Merkel eigentlich auch gekommen. Als Ehrengast des Petersburger Wirtschaftsforums - eine Auszeichnung, die in inzwischen 17 Jahren nur wenigen ausländischen Staatschefs zuteil wurde. Auch hatte Putin noch am Vorabend Merkels Wirtschaftspolitik über den grünen Klee gelobt: Sie reagiere auf die beste Weise auf die ökonomische Situation in der Welt. Vor allem um Wirtschaft ging es daher auch in dem Gespräch, das Merkel und Putin am Rande des Wirtschaftsforums führten. Deutschland ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Russlands. Das Volumen des gegenseitigen Handelsaustauschs belief sich 2012 auf fast 74 Milliarden US-Dollar, was vor allem mit dem Export von Energie zu tun hat. Deutschland deckt seinen Bedarf an Erdgas inzwischen zu 45 Prozent aus russischen Vorkommen, bei Öl sind es 23 Prozent. Deutsche Unternehmen beteiligen sich mit Investitionen von 1,1 Milliarden Euro an der Erschließung des Gasfeldes Juschnorusskoje in Arktisnähe. Die Vorkommen gehören Gasprom und werden auf bis zu 25 Milliarden Kubikmeter veranschlagt.

Russland ist vor allem an der Intensivierung der Zusammenarbeit im Industriebereich interessiert. Auch, um sich unter günstigen Bedingungen Zugriff auf Hochtechnologien zu verschaffen. Vorrang haben dabei Maschinen- und Fahrzeugbau. VW und BMW lassen Teile der für Russland bestimmten Wagen bereits im Lande montieren. Ebenso Siemens seine Hochgeschwindigkeitszüge. Erst kürzlich beschloss die russische Regierung den Ausbau eines ganzen Netzes von Strecken, auf denen bis zu 400 Stundenkilometer möglich ein sollen. Mit über 6000 Unternehmen mit Beteiligung von deutschem Kapital ist die Bundesrepublik Deutschland auch einer der größten Investoren in Russland. Russland seinerseits hat allein im letzten Jahr rund 4,4 Milliarden Euro in deutsche Unternehmen investiert.