nd-aktuell.de / 24.06.2013 / Politik / Seite 1

Merkels »Maß und Mitte« von allen Seiten kritisiert

Wirtschaftslobby erklärt Vorbehalte gegen Wahlprogramm / FDP spricht vom »süßen Gift« / Opposition nennt Forderungen »Märchenbuch«

Berlin (Agenturen/nd). Drei Monate vor der Bundestagswahl haben sich CDU udn CSU als letzte der Parteien im Bundestag ein Wahlprogramm gegeben. Bei einer Sitzung in Berlin beschlossen mehr als 100 Vorstände der Unionsparteien in Berlin einstimmig das »Regierungsprogramm 2013 - 2017«. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel betonte nach den Beratungen, dass Verbesserungen bei den Mütterrenten trotz des Bekenntnisses zum Schuldenabbau »Priorität« hätten.

In dem 125 Seiten starken Papier mit dem Titel »Gemeinsam erfolgreich für Deutschland«, das am Montag auf einem Kongress mit mehr als 500 Mandatsträgern der Union öffentlich vorgestellt werden soll, setzen CDU und CSU unter anderem auf Haushaltskonsolidierung, Verbesserungen für ältere Mütter bei der Rente, für Familien sowie Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Geplant sind auch eine Art von Mietpreisbremse und ein branchenspezifischer und regional festgelegter Mindestlohn. Steuererhöhungen lehnt die Union ab.

Merkel sprach von einem »Programm von Maß und Mitte«, CSU-Chef Horst Seehofer lobte das Programm als »erstklassiges Zukunftsangebot«, das auf einem »Kompass aus Sparen und Investieren« beruhe. Die CSU will nach seinen Worten auf einem Parteitag im Juli zusätzlich noch ein eigenes »Bayernprogramm« verabschieden, in das dann auch die Forderung nach einer Pkw-Maut einfließen soll. Merkel bekräftigte am Sonntag ihre Ablehnung einer solchen Abgabe.

Zwar bekannten sich Merkel und Seehofer zu einer Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition. Die Freidemokraten kritisierten jedoch die Pläne der Union scharf. FDP-Chef Philipp Rösler nannte viele Forderungen der Union nicht bezahlbar, CDU dun CSU hätten sich vom »süßen Gift des Geldausgebens« verleiten lassen.

Auch der CDU-Wirtschaftsflügel bekräftigte seine Vorbehalte und tat die Unionsversprechen gar als Wahlkampffolklore ab: »Es ist eine traditionelle Übung in dieser Republik, vor den Wahlen Wahlversprechen zu machen, die dann anschließend in Regierungs- und Koalitionsverhandlungen wieder wegrationalisiert werden«, sagte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, im ARD-»Bericht aus Berlin«. »Die Wähler wissen das seit 50 Jahren, dass das so ist.«

Kritik kam auch von der Opposition, die unter anderem darauf verwies, dass es keine demokratische Debatte mit den Mitgliedern von CDU und CSU gab. Der Parlamentsgeschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, warf Merkel in der »Rheinischen Post« vor, »das Blaue vom Himmel« zu versprechen. »Dieses vage Programm passt zum vagen Regieren der Koalition«, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles der »Welt am Sonntag«.

Die Grünen warfen der CDU-Vorsitzenden eine »Politik der Wattebäusche« vorgeworfen. »Statt durch ernst gemeinte Reformen die Probleme in Deutschland anzugehen, setzt Merkel lieber auf eine Politik der Wattebäusche«, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt der »Rheinischen Post«. Die Union mache „milliardenschwere Wahlversprechen ohne auch nur ansatzweise zu erklären, wie sie diese finanzieren will».«