nd-aktuell.de / 26.06.2013 / Politik / Seite 12

Genervte Pendler ziehen ins Hotel

ICE-Strecke Berlin-Wolfsburg durch Flutschäden blockiert - Ausweichstrecken kosten viel Zeit

Das Hochwasser hat die ICE-Strecke von Berlin nach Wolfsburg unter Wasser gesetzt und abschnittsweise stark beschädigt. Statt eine Stunde sitzt man nun bis zu drei Stunden im Zug. Viele Pendler haben notgedrungen ein Hotel gebucht oder übernachten bei Kollegen.

Wolfsburg/Berlin (dpa/nd). Viele hundert Berliner pendeln täglich mit dem schnellen ICE zur Arbeit nach Wolfsburg - nach dem Hochwasser und der Stunden raubenden Umleitung der Züge stecken sie nun in der Klemme. Der seit Freitag geltende Notfahrplan mit einem Umweg über Magdeburg und Braunschweig stellt sie nicht zufrieden - viele übernachten nun notgedrungen in Hotels und bei Freunden, selbst an das Chartern von Bussen wurde schon gedacht. Zufrieden sind hingegen die Wolfsburger Hoteliers, laut Onlineanbietern sind fast alle Zimmer über die Woche ausgebucht.

820 Berliner machen sich laut Statistik täglich von Berlin nach Wolfsburg auf den Weg. Die große Mehrheit fährt mit der Bahn. Nicht nur bei Volkswagen, auch bei Zulieferern, Museen und im Rathaus arbeiten Berlin-Pendler, schließlich dauert die Zugfahrt normalerweise nur etwa 60 Minuten. Derzeit müssen die Pendler für eine Strecke zweieinhalb bis drei Stunden kalkulieren.

»Im Sinne der vielen Pendler muss sofort etwas geschehen. Es darf nicht sein, dass Wolfsburg für längere Zeit vom Fernstreckennetz abgehängt bleibt. Es müssen kurzfristig Ersatzlösungen gefunden werden«, fordert Oberbürgermeister Klaus Mohrs (SPD). 74 000 Pendler kommen täglich in die 123 000-Einwohner-Stadt, die meisten aus dem Umland.

»Die Bahn kann ja nichts für das Hochwasser, aber sie könnte besser informieren«, sagt Uta Ruhkamp, die in einem Museum in Wolfsburg arbeitet. An einem Tag habe es in Berlin geheißen, die Reisenden nach Wolfsburg sollten in Spandau aussteigen und den Zug nach Braunschweig nehmen. Der Schaffner sagte dann aber das Gegenteil. Die Kuratorin hat in den vergangenen Tagen mal bei einer Kollegin, mal in der Jugendherberge geschlafen. Für Juli hat sie ein WG-Zimmer ergattert.

Schon seit 2010 gibt es ein E-Mail-Netzwerk, in dem Bahnpendler sich über Probleme austauschen. Luciano Bottoni, der seit viereinhalb Jahren pendelt, wollte über den Verteiler Reisebusse organisieren. »Aber das ist doch keine Lösung, das Interesse war gering. Die Busse wären ja auch bis zu drei Stunden unterwegs«, sagt er. 4000 Euro zahle er pro Jahr für seine Bahncard. Rechne man die Ausgaben aller Berlin-Wolfsburg-Pendler zusammen, so seien das Einnahmen in Millionenhöhe. »Wir sind also ein wichtiger Kunde.« Die Bahn selbst kann den Ärger verstehen. »Das Wasser muss erst weg sein, vorher können wir die Schäden nicht reparieren«, bat eine Sprecherin um Verständnis. Auf eine Entschädigung angesprochen, sagte sie: »Alle können sicher sein, dass es eine kulante Lösung geben wird.« Auf die Kulanz der Bahn müssen die Pendler in der Tat setzen.

»Das sind außergewöhnliche Umstände, höhere Gewalt«, sagt Edgar Isermann, Leiter der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr. »In der momentanen Situation hat die Bahn eine enorme logistische Aufgabe zu lösen. Da ist die Kommunikation das Wichtigste, was man machen kann.« Eine Pendlerin versucht der Lage Positives abzugewinnen: »So komme ich mal dazu, meine Freunde in Wolfsburg und Braunschweig zu besuchen.«