nd-aktuell.de / 29.06.2013 / Politik / Seite 4

Verdeckte Armut bleibt verdeckt

Hartz-IV-Regelsatzberechnung weiterhin auf wackligen Füßen

Fabian Lambeck
Das Bundesarbeitsministerium kommt nach Auswertung eines Berichts zu dem Ergebnis, dass verdeckte Armut statistisch nicht erfassbar sei. Somit bleiben die Hartz-Sätze niedriger, als sie eigentlich sein müssten.

Als das Bundesverfassungsgericht im Februar 2010 sein vielbeachtetes Hartz-IV-Urteil fällte, da galt einer der Hauptkritikpunkte dem Berechnungsverfahren. Karlsruhe forderte vom Gesetzgeber, die Methoden zur Ermittlung der Regelsätze zu überprüfen. Insbesondere Wohlfahrtsverbände hatten immer wieder kritisiert, dass die verdeckte Armut aus der Regelsatzbezugsgruppe nicht herausgerechnet worden sei. Verdeckt arm sind Menschen mit niedrigen Löhnen, die aber aus Unkenntnis oder Scham trotz Anspruch keinen Antrag auf Hartz-IV-Leistungen stellen. Wie viele Bundesbürger das sind, weiß niemand. Anfang Juni hatte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verwiesen, wonach »46 Prozent aller anspruchsberechtigten Haushalte« kein Hartz IV erhielten.

Diese klandestine Armut hat für die Berechnung der Regelsätze fatale Folgen. Sie drückt den Satz, weil dieser sich vom Nettoeinkommen der untersten 15 Prozent der Arbeitnehmer berechnet, die in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) ermittelt wurden. Das heißt: Je weniger Geld diese 15 Prozent zur Verfügung hatten, desto geringer fällt auch der Regelsatz aus. Aus diesem Grund hatte Karlsruhe sich damit einverstanden erklärt, jene Gruppe »herauszufiltern«, wie die »Süddeutsche Zeitung« schrieb.

Die lange Vorgeschichte ist nötig, um zu begreifen, womit sich das Bundeskabinett am Mittwoch befasste. Den Ministern lag ein Bericht des IAB vor, der sich auch mit dem Problem der verdeckten Armut befasste. Darin beschäftigten sich die Forscher mit der Frage, wie verdeckte Armut zu messen sei. Zum einen gibt es den Vorschlag der LINKEN, eine Mindesteinkommensgrenze zu ziehen, ab der man als arm gilt. Das IAB räumt zwar ein, dass dieser Ansatz einfach zu handhaben wäre. Trotzdem favorisieren die Forscher das Modell Mikrosimulation, das für jeden Haushalt den Bedarf berechnet. Das Verfahren ist kompliziert. So müssten vier Simulationsvarianten durchgeführt werden, und am Ende stünde wieder ein undurchsichtiges Verfahren.

Das Bundesarbeitsministerium machte es sich nun ganz einfach. Die geltende Methodik sei »sachgerecht und angemessen«, heißt es im Bericht des BMAS. Da die verdeckte Armut »statistisch nicht erfassbar sei« und die Einbeziehung der Gruppe keine »nennenswerten Verwerfungen« nach sich ziehe, soll nun alles so bleiben, wie es ist.