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Autofrei im Tal der Loreley

Am Mittelrhein regierten die Radfahrer und Skater

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 80 000 Menschen haben den autofreien Erlebnis-Tag »Tal toTal« im Mittelrheintal am Sonntag zum Radfahren, Wandern und Skaten genutzt. Auf der insgesamt 120 Kilometer langen Strecke konnte man Dorffeste besuchen und an Rastplätzen regionale Spezialitäten probieren.

Es hat schon Tradition im Mittelrheintal, dass der letzte Sonntag im Juni dem nichtmotorisierten Verkehr gehört. So blieben unter dem Slogan »Tal toTal« auch am vergangenen Sonntag ab 9 Uhr die Bundesstraßen 9 und 42 zwischen Bingen/Rüdesheim und Koblenz für Autos, Motorräder und Busse gesperrt. Bei trockener, angenehmer Witterung hatten Radfahrer, Rollstuhlfahrer, Inline-Skater, Wanderer und Besitzer skurriler Fahrzeuge im Tal die absolute Vorfahrt.

Auf »nd«-Anfrage zog Annette Klemm vom federführenden Touristik-Verbund Romantischer Rhein Tourismus GmbH am Morgen danach eine positive Bilanz der Großveranstaltung. So habe sich die Zahl der Teilnehmer gegenüber dem Vorjahr von 70 000 auf rund 80 000 gesteigert. Wie bereits zuvor seien nicht nur Menschen aus der Region, sondern auch Sport- und Naturbegeisterte aus dem Ausland angereist.

Mit dem ersten »Tal toTal« hatte sich 1992 der frisch gewählte damalige Mainzer Ministerpräsident Rudolf Scharping (SPD) - heute ist er Radfahrerbund-Präsident - einen Traum erfüllt. Skeptiker, die seinerzeit das Projekt für undurchführbar hielten, scheinen verstummt zu sein. Die befristete Vollsperrung einer landschaftlich reizvollen Bundes- oder Landesstraße im Sommerhalbjahr hat inzwischen bundesweit vielfach Nachahmung gefunden.

»Deutschland ist besonders radaffin«, erklärt Annette Klemm. Der Großeinsatz von Polizei, Straßenwärtern und Sanitätern funktionierte reibungslos. Fahrradstationen des Automobilclubs ACE standen für die Behebung von Reifenpannen und andere kleinere Reparaturen bereit. In vielen Orten genossen die Einwohner die ungewohnte Ruhe. Entlang der Ortsdurchfahrten hatten Freiwillige aus Vereinen, Landfrauenverbänden und Feuerwehren Straßenfeste vorbereitet und boten Speisen, Getränke und Musik an.

Im linksrheinischen Weinort Bacharach lud das katholische Pfarramt im Schatten der Kirche zum Meditieren und zur »Fahrradsegnung« ein. Unterhalb des berühmten Loreleyfelsens ließ sich der Verband der Bundeswehrreservisten die Gelegenheit nicht entgehen, den Vorbeifahrenden römische Linsensuppe und als Beigabe in Tarnfarbenverpackung eingehüllte Gummibärchen anzubieten, dazu Werbeblätter und die Verbandszeitschrift »loyal«.

Das gegenüber liegende St. Goar bildete das Zentrum des Großereignisses. Hier warben amtliche Infostände für das Radwegenetz in Rheinland-Pfalz und Europa und weckten damit bei manchem Gelegenheitsradler Appetit auf mehr. So erfuhren Wissensdurstige etwa, dass der linksrheinische Radweg entlang des Mittelrheins das Herzstück des über 1300 Kilometer langen Europäischen Fernradwegs mit der Nummer 15 bildet, der von der Rheinquelle in den Schweizer Zentralalpen bis zur Mündung unweit der riesigen Hafenanlagen im niederländischen Rotterdam führt. Auch Vertreter des Europäischen Radfahrverbands »European Cyclists› Federation‹« (ECF) und Initiatoren autofreier Tage aus dem Elsaß waren vor Ort und stiegen selbst auf ihre Stahlrösser.

Die 80 000 »Tal toTal«-Fans mussten sich allerdings mehr als sonst sputen, um rechtzeitig zu ihren Ausgangs- oder Zielpunkten zu gelangen. Weil am Abend der spanische Startenor Placido Domingo auf dem Loreleyfelsen eines seiner seltenen Konzerte gab, war schon früh Schluss. Punkt 17 Uhr wurden die Straßensperren beiseite geschoben. Offensichtlich wollten und konnten die Verantwortlichen den Musikbegeisterten eine dem Tag angemessene Anreise zur Freilichtbühne nicht zumuten.

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