Disco statt Parken am Flughafen

Unternehmer müssen sich nach der Verschiebung des Eröffnungstermins etwas einfallen lassen

  • Marion van der Kraats, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.

Unkraut wuchert im steinigen Untergrund. Wenige Autos verlieren sich auf dem riesigen Areal an der A 10 bei Wildau. Am Kassenhäuschen sind die Rollladen runtergelassen, die Toiletten sind verschlossen. Beim benachbarten Imbiss stärken sich Bauarbeiter bei Currywurst und Bier. Demnächst könnte hier noch ein Discozelt zum Tanz locken.

»Ich muss Lösungen für eine Zwischennutzung finden«, sagt McParking-Geschäftsführer Kai Rixrath. Seine Firma bietet europaweit günstige Parkplätze mit Shuttleservice zum Flughafen an. Der neue Hauptstadtflughafen in Schönefeld sollte nicht fehlen, doch er lässt auf sich warten. »Schadenersatzansprüche kann ich nicht stellen«, sagt Rixrath. Etwa 3000 Autos hätten Platz auf dem rund 135 000 Quadratmeter großen Platz, doch wann Reisende sie hier abstellen, ist derzeit offen. Unterhaltungskosten schlagen zu Buche, ohne dass Geld in die Kasse fließt. »Ich habe mich inzwischen so eingestellt, dass ich total flexibel bin«, erklärt Rixrath. Prognosen, wann der Flughafen öffnen wird, traut er nicht mehr. Trotzdem hält er am Standort fest. »Man muss das langfristig sehen. Der Flughafen wird der Region einen Riesenaufschwung geben«, ist Rixrath überzeugt.

Taxi-Unternehmer Michael Firyn ist weniger optimistisch. Etwa 250 Taxen haben die Behörden mit Blick auf die Flughafeneröffnung für den Landkreis Dahme-Spree zugelassen. Nun buhlen die insgesamt 350 Fahrer um die wenigen Kunden am alten Flughafen Schönefeld. »Viele Kollegen stehen drei bis vier Stunden rum, bis sie eine Fahrt bekommen«, berichtet der Vorsitzende der Taxi-Union Königs Wusterhausen. 80 bis 140 Euro seien täglich maximal drin. »Da arbeiten viele Fahrer fast rund um die Uhr, um über die Runden zu kommen«, weiß Firyn.

Rund 460 Arbeitsplätze sind laut Zukunftsagentur Brandenburg 2012 nicht wie geplant im Flughafenumfeld entstanden. Die Pläne der Unternehmen seien aber nur aufgeschoben. Abgesprungen sei bislang niemand, heißt es.

»Im Moment ist meine Arbeit davon geprägt, dass ich den Investoren immer wieder Mut mache«, berichtet Schönefelds Bürgermeister Udo Haase (parteilos). Der Etat der Gemeinde liegt derzeit bei etwa 80 Millionen Euro. Die Gewerbesteuer sprudelt zwar wegen der Ansiedlung von etwa 1900 Unternehmen. 56 Millionen Euro waren für 2013 veranschlagt, erläutert Haase. Wegen des Flughafendebakels werden wohl aber nur 45 Millionen Euro in die Gemeindekasse fließen. Teuer zu stehen kommt Schönefeld das Flughafendesaster beim neuen S-Bahnhof, an dem der Zug bislang durchfährt. Etwa 4,5 Millionen Euro hat die Kommune investiert. »Der Bahnhof muss bewacht werden und wird nicht besser mit den Jahren, außerdem laufen für Geräte die Garantien ab«, bemerkt Haase ärgerlich.

Trotzdem ist sein Glaube an das Projekt unerschütterlich: Wenn der Flughafen offen ist, dann ist er ein Selbstläufer, meint der Bürgermeister. Er setzt auf den neuen Flughafenchef Hartmut Mehdorn. »Auch wenn sein Ruf umstritten ist: Er erledigt die Dinge immer«, betont Haase. Bestätigt sieht er sich durch die Eröffnung eines Cargo Centers am 3. Juli. »Ich sehe das als positives Zeichen, das Mehdorn ganz bewusst jetzt setzt«, meint Haase. »Das zeigt: Jetzt geht es los.«

Auch die Händler haben den Glauben nicht verloren. »Es gibt noch genug Unternehmen, die ins neue Terminal reinwollen«, berichtet Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Zwar gab es einen Schock durch die mehrfache Verschiebung der Flughafeneröffnung. Aber es gab nur ein paar Händler, »die aus den Verträgen rauswollten«, erklärt Busch-Petersen. Für den Airport seien die Absagen kein Problem. »Die Nachmieter stehen Schlange.«

Die Industrie- und Handelskammer Cottbus beschreibt die Stimmung ähnlich. »Natürlich hat die Entwicklung in der Region einen Dämpfer bekommen«, sagt Sprecher Nils Ohl. »Aber die Unternehmen haben sich mit der Situation arrangiert.« Die IHK hatte Betrieben, die durch die Verschiebungen in der Existenz bedroht sind, Unterstützung zugesagt. »Konkret haben sich sechs gemeldet«, berichtet Ohl. Für sie seien mit Banken Lösungen gefunden worden.

»Die Verunsicherung im Markt ist enorm«, bedauert Gerhard Janßen, Chefwirtschaftsförderer im Kreis Dahme-Spreewald. Der Imageschaden durch das Flughafendebakel sei immens. »Im Moment verlässt sich niemand mehr auf mündliche Angaben.« Der erhoffte Schub werde wegen des Debakels nicht gleich mit der Eröffnung des Airports kommen.

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