nd-aktuell.de / 08.07.2013 / Politik / Seite 8

Orbitaler Ordnungsdienst

UN-Experten diskutieren in New York über die Vermeidung von Gefahren

Wolfgang Kötter
In New York beraten Regierungsexperten aus 15 Staaten im UNO-Hauptsitz am East River ab heute darüber, wie Transparenz und Vertrauen im Weltraum gefördert werden können.

Den Experten aus Brasilien, Chile, China, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kasachstan, Nigeria, Rumänien, Russland, Sri Lanka, Südafrika, Südkorea, der Ukraine und den USA liegt ein ganzer Stapel von Stellungnahmen und Vorschlägen von UN-Mitgliedstaaten vor. Dabei geht es um Verhaltensregeln, die Transparenz von Weltraumprogrammen und -aktivitäten, um Streitschlichtungsmechanismen und Vereinbarungen zur Verhinderung von Missverständnissen und Fehlinformationen.

Maßnahmen zur Abwendung von Bedrohungen und zur Sicherung der friedlichen Nutzung des Weltraums sind dringend erforderlich. Gefahren ergeben sich aus zwei teilweise miteinander verflochtenen Entwicklungen: der Vermüllung des Alls mit Weltraumschrott und der Militarisierung des Kosmos. Immer wieder verdeutlichen militärische Aktionen, Unfälle und Beinahekatastrophen die Gefahren.

Seit Beginn der Raumfahrt wurden nach Angaben der Europäischen Weltraumorganisation ESA etwa 5500 Satelliten in Erdumlaufbahnen geschossen. Davon sind noch etwa 1000 funktionsfähig. Die übrigen sind abgestürzt und verglüht oder sie rasen gemeinsam mit Raketenresten, Explosions- und Kollisionstrümmern um die Erde. Der Katalog des US Space Surveillance Network (SSN) verzeichnet rund 17 000 Objekte von mindestens zehn Zentimeter Durchmesser. Wegen ihrer hohen Geschwindigkeit können diese Teile bei einer Kollision mit anderen Flugkörpern enormen Schaden anrichten. Schon ein zentimetergroßes Objekt setzt beim Zusammenstoß mit einem Satelliten die Energie einer explodierenden Handgranate frei. Wissenschaftler befürchten sogar, dass die steigende Zahl von Raketentrümmern und Schrottsatelliten die friedliche Raumfahrt völlig zum Erliegen bringen könnte. Zwar hat man sich im Weltraumausschuss der Vereinten Nationen und im EU-Rahmen auf Richtlinien und Verhaltensregeln geeinigt, die die Entstehung von Weltraumschrott eindämmen sollen. Doch die Anwendung ist freiwillig und langfristig ist das Problem damit nicht gelöst.

Für das Militär spielt der Weltraum eine immer größere Rolle. Nahezu die gesamte militärische Kommunikation läuft schon jetzt über Satelliten. Es gibt Pläne, den Weltraum als militärische Teststätte zu missbrauchen und bewaffnete Satelliten ins All zu schießen. Mögen manche Projekte auch exotisch erscheinen, an ihrer Verwirklichung wird intensiv gearbeitet. Die Palette reicht von Minisatelliten, die andere Satelliten manipulieren, bis zu Minen, die an einen Flugkörper herangeführt werden, um ihn zu zerstören. Sowohl die USA als auch China haben bereits eigene Satelliten zu Testzwecken abgeschossen. Derartige Aktivitäten führen zur weiteren Anhäufung von Schrott im Weltraum.

Obwohl unverzügliches Handeln geboten ist, hat sich in den vergangenen Jahren wenig bewegt - obwohl die Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung internationaler Abrüstungsgremien steht. Der UN-Weltraumausschuss erarbeitete immerhin den rechtsverbindlichen Weltraumvertrag, der den Mond und andere Himmelskörper zum Gemeingut der Menschheit erklärt. Der 1979 abgeschlossene Mondvertrag verbietet Anwendung und Androhung von Gewalt in Bezug auf die Erde, den Mond, auf Raumschiffe und künstliche Weltraumprojekte. Diese völkerrechtlichen Regelungen setzen einer Militarisierung des Kosmos Grenzen, schließen sie aber nicht völlig aus.

Trotz vieler Vorschläge haben sich die Staaten bisher auf keine weiteren völkerrechtlich verbindlichen Abkommen verständigt. Die von der Expertengruppe auszuarbeitenden Empfehlungen zur Erhöhung von Transparenz und Vertrauen im Weltraum können Abrüstungsmaßnahmen nicht ersetzen, aber vielleicht einen Schritt zu mehr Sicherheit und Stabilität vorzeichnen. Nach Fertigstellung wird der Bericht der UN-Vollversammlung zur Erörterung und Beschlussfassung vorgelegt.