Kritische Fragen an Datensammler

Europäischer Gerichtshof verhandelte über Richtlinie zu Vorratsspeicherung

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verhandelte am Dienstag über die Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Dabei mussten sich die Vertreter der beteiligten Staaten und der Europäischen Institutionen zahlreichen kritischen Fragen der Richter stellen.

»Kann ich diese Frage später beantworten?«, bittet der Vertreter der EU-Kommission den Richter, als der ihn fragt, ob er die Speicherung von Vorratsdaten aus der Europäischen Union in Drittstaaten in jedem Fall für sicher hält. Eine Antwort gibt es nicht, dafür aber am Ende des Tages die Hoffnung von Bürgerrechtlern, dass die umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vom EuGH in Luxemburg für ungültig erklärt werden könnte.

Die Richter müssen in dem Verfahren klären, ob die seit 2006 geltende Richtlinie zur anlasslosen Speicherung von Telefon-, Handy- und Internetverbindungen mit der europäischen Grundrechtecharta vereinbar ist. Die Richtlinie schreibt allen EU-Mitgliedsstaaten die Speicherung der Daten für mindestens sechs bis maximal 24 Monate vor.

Kritiker bemängeln, die Regelung verstoße gegen das in Artikel 7 der EU-Charta festgelegte Recht auf Achtung des Privatlebens sowie gegen Artikel 8, der jedem EU-Bürger den Schutz seiner personenbezogener Daten garantieren soll. Das Verfahren wurde nach Klagen mehrerer Bürgerrechtsorganisationen von den Verfassungsgerichten in Österreich und Irland an den EuGH zur Entscheidung überwiesen. In der gestrigen mündlichen Verhandlung gaben die Richter den Klägern sowie den am Verfahren beteiligten Staaten und Vertretern verschiedener EU-Gremien die Möglichkeit, sich zur Datenspeicherung zu positionieren.

Deutschland wollte sich nicht in der Verhandlung äußern, da eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung hierzulande seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2010 auf Eis liegt, da sich Union und FDP uneinig sind.

Im Vorfeld der Verhandlung hatten die Richter allen Prozessbeteiligten einen Fragenkatalog zugesandt und damit die Schwerpunkte für die mündliche Verhandlung festgelegt. So wollte der EuGH wissen, ob die massenhafte Speicherung von Daten etwas gebracht habe und es nachweisbare Erfolge bei der Bekämpfung von Verbrechen gibt. Immerhin gilt die Bekämpfung des Terrorismus unter Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung als eines der stärksten Argumente.

Im Laufe der Anhörung schien sich genau diese Behauptung in Luft aufzulösen. So spekulierte der Vertreter Spaniens zwar, die Bombenanschläge von Madrid 2004 hätten möglicherweise mit Hilfe der Vorratsdatenspeicherung verhindert werden können. Einen Beweis in Form von belastbaren Fakten zur Terrorabwehr blieb er allerdings ebenso schuldig wie die Vertreter aus Italien, Irland und Großbritannien, die sich jedoch alle für einer Beibehaltung der Datenspeicherung aussprachen.

Für Heiterkeit unter Beobachtern und Netzaktivisten sorgte eine von Österreich vorgelegte Statistik. Der Vertreter Wiens erklärte, 2012 seien 56 »Fälle« dank Vorratsdaten aufgeklärt worden. Dabei handelte es sich nicht um Terroranschläge oder organisierte Kriminalität, sondern um Vergehen in den Bereichen Diebstahl, Drogen und Stalking. »Geben Sie einem Sicherheitsapparat Daten und er wird Ihnen das dazu passende Bedrohungsbild liefern«, erklärte der Anwalt von über 11 000 Österreichern, die das Verfahren mit angestrengt hatten.

Mit einem Urteil in dem Verfahren wird erst in einem halben Jahr gerechnet. Entscheidenden Einfluss auf den Richterspruch wird das Gutachten des Generalanwalts haben, das am 8. November veröffentlicht werden soll. Bisher folgte der EuGH häufig der darin ausgesprochenen Empfehlung.

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