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Wohin, wenn nicht nach Syrien?

Frauenrunde in Beirut

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 2 Min.

Drei Freundinnen sitzen in Beirut nach einem Yogakurs zusammen und trinken Tee: Angelika, die seit ihrer Heirat mit einem Libanesen in den 60er Jahren in Beirut lebt, Lesley, eine Touristenführerin, und Tatjana aus Moskau. Die Physiotherapeutin heiratete vor einem Vierteljahrhundert einen Syrer, den sie beim Studium in Moskau kennengelernt hatte. Zwei Söhne, in Damaskus geboren, studieren heute in Malaysia. Ihr Mann, bestätigt Tatjana, habe als selbstständiger Designer in den Jahren wirtschaftlichen Aufschwungs gute Geschäfte gemacht. Doch das »neue Syrien« unter Baschar al-Assad habe auch Schattenseiten gehabt. Mit Gleichgesinnten, die sie auch in christlichen Gemeinden fand, organisierte Tatjana Hilfe und Freizeitangebote für bedürftige Kinder. Sie engagierte sich für gesunde Ernährung und bot entsprechende Kurse an. Unweit der Stadt Kusair, die kürzlich durch die Kämpfe zwischen syrischer Armee und Hisbollah auf der einen und Aufständischen auf der anderen Seite traurige Berühmtheit erlangte, hatte ein Großgrundbesitzer Mitte der 80er Jahre Ländereien für biologischen Anbau zur Verfügung gestellt. Eine »Schule des Friedens« entstand, in der auch Kurse für zivilgesellschaftliches Verhalten angeboten wurden. Doch sie wisse gar nicht, ob die Aktivisten von damals noch leben, sagt Tatjana. Die meisten Christen haben die Region um Kusair schon vor mehr als einem Jahr verlassen.

Auch Tatjana verließ Syrien Anfang 2013 auf Bitten ihres Mannes. »Diese Politiker, die einen Krieg nach dem anderen anfangen, sollten Yoga betreiben, damit sie auf bessere Gedanken kommen«, rät sie und freut sich über die Zustimmung ihrer Freundinnen. Angelika und Lesley, die den Bürgerkrieg in Libanon erlebt haben, können der »syrischen Revolution« nichts abgewinnen. »Als Christin haben mich die Muslime in meinem Dorf früher beschützt«, erzählt Lesley, »sie kämpften zwar gegeneinander, aber jeder für irgendeine Sache.« Heute schlachteten die Männer sich gegenseitig und Unbeteiligte ab und riefen »Allah ist groß!« Lesley schüttelt den Kopf: »Für wen tun sie das, wofür?«

Deir Mar Musa, Deir Mar Elian - Tatjana schwelgt in Erinnerungen an die beiden Klöster, die ein Orden um Pater Paolo aus Italien in Stätten interreligiösen Dialogs verwandelt hatte. Im Sommer 2012 musste Pater Paolo Syrien verlassen, berichtet sie. Nie habe er ein Blatt vor den Mund genommen, zuletzt habe er wohl zu offen Partei für die Aufständischen ergriffen. Ob sie ihr geliebtes Syrien jemals wiedersehen wird, weiß Tatjana nicht. »Nirgends lebten so viele Religionen und Volksgruppen so ruhig und nah miteinander«, sagt sie. »Wenn ich nicht nach Syrien zurück kann, wohin soll ich dann gehen?« Karin Leukefeld

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