Musik vor den Toren der Stadt

»Randspiele« in Zepernick

  • Stefan Amzoll
  • Lesedauer: 3 Min.

Dieses längst nicht mehr randständige, wohl aber internationalisierte Festival verdiente viel mehr Publicity. Ihr Künstlerischer Leiter, der Komponist Helmut Zapf, klagt darüber. Zurecht. Die Lokalblätter schicken, wenn überhaupt, nur noch Reporter, die sich sonst in Schulen, die schließen, oder »Offenen Gärten« und Ballnächten der Gegend umtun (was ja nicht unwichtig ist). Qualifizierte Berichte sind immer weniger gefragt. Und überhaupt: »neue Musik« - die klingt doch so schief.

Zapf und seine Frau Karin haben wiederum engagiert ein Programm zusammengestellt, das schon vom Papier her klares Profil zeigt. Der mittlerweile 21. Jahrgang hob an mit einer »Langen Nacht davor« unter der Schlagzeile MOND. Der Geist von Frau Luna tummelt sich in Gestalt von Stücken wie »Messe in A« für Blockflöte und Gesang oder Titeln wie »Ruh« und »Herz«. Stefan Streichs »Der Mond« für Counter und Blockflöte kam als Uraufführung. Gut hätte Schönbergs »Pierot lunaire« hierher gepasst, auch andere Stücke, in denen der kalte Mond schaudern macht.

Auf der Sound-Tour, bereits Tradition der Spiele, begleitete diesmal der Musiker und Komponist Taner Akyol auf seinem türkischen Zupfinstrument, der Baglama, die Zuhörer von Spielort zu Spielort - von Berlins Mitte bis zum nördlichen Rand der Stadt nach Zepernick. Wieweit das gelang, können die erzählen, die durchweg mitgetourt sind. In anderer Art von Gewicht die beiden Abendkonzerte im Gemeindehaus und im Raum der St. Annen-Kirche. Das Ensemble Junge Musik musizierte zunächst. Als reines Klangstück - nichts Nennenswertes dahinter, so schien es - kam des jungen Fabian Zeidlers Miniatur »Prisma« für Flöte, Vibraphon, Akkordeon und Kontrabass als Uraufführung. Zeidler dirigierte selbst. Eine der unzähligen Performances, die sich in Spektren des Klangs und Schraffuren des Lichts verlieren.

Melancholie verbreiteten die reizvoll diatonisch formulierten »3 Sätze aus den magischen Duetten« in der Version für Klarinette, Horn und Klavier von Rainer Ruppert. Spartanisch kreuzen einander das Melodiematerial von Klarinette und Horn (Matthias Badczong, Elena Kakaliagou). Der Pianist mobilisiert Interna des Flügels, betätigt die Saiten mit winzigen Becken, mit Schlegeln und den Fingerspitzen, schlägt auch mal Tasten an. Im 3. Satz molto lento, singt sich gleichsam die Seele von »Tragödien« aus.

Zu Beginn in der Kirche brillierte Thomas Noll mit dem »Orgelstück« von Friedrich Goldmann. Der komponierte das an die 20 Minuten lange, von vorn bis hinten ausgehörte, wilde, klangschöne Werk für den internationalen Orgelsommer in Nürnberg 1984. Die Hörer erlebten eine Parade moderner Orgelkunst. Thomas Noll auf der Höhe seiner Könnens. Hoch stehend auch die dazugehörige Registrierungskunst. Junger Herr und junge Dame assistierten. Da flogen die Finger nur so - von Taste zu Taste, Zug um Zug.

Krönend der Rahmen. Die Posaunisten-Legenden Johannes und Conrad Bauer (»Conny« feierte am 3. Juli seinen 70. Geburtstag) lieferten mit Organist Thomas Noll und Andre Bartetzki am Mischpult Improvisationen, wie sie der Normalsterbliche, wenn, vielleicht nur einmal im Leben hört. Grandioser Ausklang. Helle Begeisterung.

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