Demonstration der Entschlossenheit

Ägyptens neue Führungsspitze darf sich über warmen Regen aus den Golfmonarchien freuen

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Finanzexperte Beblawi wird neuer Regierungschef in Ägypten; er steht nun vor einer schwierigen Kabinettsbildung. Die Muslimbruderschaft lehnte ein Angebot zur Beteiligung am Kabinett bereits ab. Mehrere ausländische Regierungen haben auf die Ankündigung mit Finanzzusagen in Milliardenhöhe reagiert.

Eine Woche nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi verlagert sich der Konflikt zunehmend in die politische Arena. Die Zahl der Demonstranten, die sich täglich an vielen Orten vor allem in den Städten versammeln, um gegen die Absetzung des vor etwas mehr als einem Jahr gewählten Präsidenten zu demonstrieren, hat abgenommen. Weil der Fastenmonat Ramadan begonnen hat, und die meisten Menschen den Aufenthalt im Freien, so gut es geht, vermeiden. Aber auch, weil bei vielen Mursi-Befürwortern mittlerweile deutlich wird, dass eine Rückkehr Mursis an die Macht so gut wie ausgeschlossen ist.

Zudem spitzt sich die wirtschaftliche Lage von Tag zu Tag weiter zu. Vielen Menschen auf beiden Seiten wird zunehmend bewusst, dass der Stillstand beendet werden muss.

Dementsprechend sind die Erwartungen an Hazem al-Beblawi groß. Der 76-jährige Finanzexperte soll neuer Regierungschef werden; der ursprünglich für diesen Posten vorgesehene Nobelpreisträger Mohammed al-Baradei wird Vizepräsident - ein Amt, dass allerdings kaum politischen Einfluss mit sich bringt.

Nach der Revolution Anfang 2011 war Beblawi für einige Monate Finanzminister und hatte sich in der Zeit international Respekt erwirtschaft. Beblawi sei ein Mann, mit dem man arbeiten könne, sagt ein Mitarbeiter der US-Botschaft in Kairo: »Er weiß, wo die Stolpersteine versteckt sind, und scheut nicht vor notwendigen Maßnahmen zurück.« Will heißen: Dem Land stehen Sparmaßnahmen bevor. Weil die Konten leer sind. Und weil die Staaten im Gegenzug für langfristige Finanzhilfen eine Reduzierung des aufgeblähten Staatsapparates und der vielfältigen Subventionen, die sich über Benzin bis hin zu Nahrungsmitteln erstrecken, fordert.

Denn die Finanzspritzen, die nun vor allem von Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten zugesagt worden sind, dürften nur kurzfristig helfen. Die Staatsschulden sind enorm, ebenso wie die Außenstände bei den Löhnen der staatlichen Bediensteten.

Hinzu kommt, dass der Wechselkurs des Ägyptischen Pfunds schwach ist, was Importe extrem teuer macht - und damit auch die Lebenshaltungskosten.

Insgesamt umgerechnet rund 8,3 Milliarden Euro wurden von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten mittlerweile zugesagt - ungefähr das Doppelte von dem, was die beiden Regierungen ursprünglich hatten zuschießen wollen.

Im Umfeld Beblawis gibt man sich dennoch nur verhalten optimistisch: Erst einmal müsse das Geld auch tatsächlich gezahlt werden, heißt es. Und es wird auf die Erfahrungen der palästinensischen Regierung verwiesen, die immer wieder mit nicht eingehaltenen Zahlungsversprechen zu kämpfen hat.

Zudem steht der Übergangspremier nun vor der Regierungsbildung - eine Aufgabe, die nicht minder kompliziert als die Besetzung des Chefsessels werden dürfte. Denn auch hier wollen alle ein Stück vom Kuchen abhaben. Und auch Beblawi betont wie alle Kandidaten, die in den vergangenen Tagen vor ihm im Gespräch waren, dass er sich um Versöhnung und Einheit bemühen wird.

So bot er wenige Minuten nach der offiziellen Bestätigung seiner Ernennung am Dienstagabend der Muslimbruderschaft die Beteiligung an der Regierung an. Ein Angebot, dass diese allerdings umgehend ablehnte: Man mache keine gemeinsame Sache mit Putschisten, lehne alles ab, was mit dem Staatsstreich zu tun hat; eine Ablehnung, hinter der auch politisches Kalkül steht.

Sprecher der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, dem politischen Arm der Bruderschaft, sagen, man setze nun auf die Wahlen, die demnächst abgehalten werden sollen. Während die Gegenseite auf Einheit setze, wolle man sich selbst als Opposition aufbauen - in der Hoffnung, so auch diese Wahlen gewinnen zu können.

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