nd-aktuell.de / 11.07.2013 / Politik / Seite 4

Vermittler

Wladimir Urin ist neuer Direktor des Moskauer Bolschoi-Theaters.

Irina Wolkowa

Revolutionen werde es mit ihm nicht geben, beschwichtigte Wladimir Urin gleich in seiner Antrittsrede die Fundis vom Bolschoi, die aus Russlands berühmtesten Musentempel am liebsten einen Antiquitätenladen machen würden. Dabei war Urin von Kulturminister Wladimir Medinski am Dienstag unter anderem zum Bolschoi-Boss ernannt worden, weil er das Theater künstlerisch entstauben soll. Außerdem soll er dafür sorgen, dass Oper und Ballett wieder mit Belcanto und Spitzentanz Schlagzeilen machen und nicht mit Skandalen und Intrigen, über die auch der bisherige Chef, Anatoli Iksanow, sein Amt verlor.

Ob Urin dem Erwartungsdruck standhalten kann, bleibt abzuwarten. Zwar lobt ihn sogar die Konkurrenz als Profi und effektiven Manager. Durchaus zu Recht. Unter seiner Leitung mauserte sich das Stanislawski-Nemirowitsch-Dantschenko-Theater, dessen Direktor Urin 1995 wurde, sogar für das Bolschoi zu einem ernstzunehmenden Rivalen. Souverän steuerte Urin das Haus auch durch Krisen, 2003 hatte ein Brand eine umfassende Rekonstruktion erforderlich gemacht. 2005, als der Umbau fast fertig war, brannte es erneut. Urin gelang es dennoch, die Kalkulation nur geringfügig zu überziehen. Kollege Iksanow dagegen wurde vom Rechnungshof angezählt, er habe beim Bolschoi-Umbau das 16-Fache der veranschlagten Mittel verbraten.

Landesweit bekannt wurde Urin mit der Inszenierung von Benjamin Brittens »Ein Sommernachtstraum« im vergangenen Sommer. Eltern warfen ihm vor, er propagiere Kindesmissbrauch und Drogenkonsum. Die Sache kam vor den Kadi. Doch das Verfahren wurde eingestellt: Strafbare Handlungen seien nicht erkennbar. Die Inszenierung erhielt wenig später sogar die »Goldene Maske«, eine der begehrtesten Auszeichnungen für russisches Theater.

Urin wird nachgesagt, er könne zwischen rivalisierenden Flügeln vermitteln und beiden Seiten das Gefühl geben, heimlicher Sieger zu sein. In dieser Eigenschaft dürfte er an seiner neuen Wirkungsstätte vor allem beim Corps de Ballett gefragt sein, das im Ruf eines Intrigantenstadls steht

. Irina Wolkowa, Moskau