Verändert Poesie die Welt?

Fragen an Festivalleiter Fernando Rendón

  • Lesedauer: 2 Min.

nd: Ist der bewaffnete Kampf in Kolumbien noch gerechtfertigt?
Rendón: Die Gründe, warum es in Kolumbien zu bewaffnetem Kampf gekommen ist, sind nach wie vor aktuell. Dennoch wäre es sehr wünschenswert, wenn es eine ähnliche Entwicklung geben würde wie in anderen lateinamerikanischen Ländern, wo ehemalige Mitglieder der Guerilla, so Mujica in Uruguay und Rousseff in Brasilien, gezeigt haben, dass man auch auf demokratischem Wege an die Macht kommen kann. Die Linke in Kolumbien hat heute ein klareres und sichtbareres Profil, um diesen Weg beschreiten zu können. Wir stehen am Anfang großer Veränderungen, und ich glaube, dass auch die Genossen bei der Guerilla kriegsmüde sind.

Welche Funktion kann der Poesie im Rahmen der Friedensgespräche zukommen?
Wir wissen, dass man mit Poesie keine Kriege beendet. Aber Poesie kann dazu beitragen, eine günstige Atmosphäre dafür zu schaffen, dass die Friedensgespräche in Havanna erfolgreich sind. Denn Poesie verkörpert auch immer einen Geist des Dialoges und des Austauschs. Beim Festival kommen Menschen zusammen, die sich auf unterschiedliche Weise zu diesem Thema äußern. Die Funktion von Poesie ist nicht, die Welt zu verändern, sondern die Menschen mit Poesie zu versorgen, damit sie die Welt verändern können.

Ist das Medellíner Poesiefestival ein linkes Festival?
In so einem konservativen Land wie Kolumbien ist es schwer, nicht links zu sein. Das Festival ist von den Regierenden immer kritisch beäugt worden. Besonders während der achtjährigen, meiner Meinung nach faschistischen Regierung unter Präsident Álvaro Uribe (2002-2010) wurden wir als Unterstützer der Guerilla und als Terroristen bezeichnet. Das hat uns viele Probleme eingebracht. Deshalb haben wir uns entschieden, dass diese Allianz zwischen Politik und Poesie sich besser in einem harmonischen Gleichgewicht befinden sollte. Andererseits wäre es für uns undenkbar, den Friedensprozess nicht öffentlich zu unterstützen.

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