250 000 vertrauliche Akten ungeschützt

Unterlagen aus Anwaltskanzleien und Arztpraxen in aufgebrochener Thüringer Lagerhalle entdeckt

  • Lesedauer: 2 Min.
Arztrechnungen, Diagnosen, Prozessakten und mehr lagerten für jeden zugänglich in einer Halle bei Eisenach. Thüringens Datenschützer bat die Polizei um Unterstützung.

Erfurt/Immelborn (dpa/nd). Hunderttausende vertraulicher Akten von Rechtsanwälten und Arztpraxen sollen jahrelang völlig ungesichert in einer Lagerhalle bei Eisenach herumgelegen haben. Wie der Sender MDR Thüringen berichtete, ließ der Thüringer Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse die Halle am Montag durchsuchen. »Das ist hier ein datenschutzrechtliches Fukushima«, sagte Hasse. Er habe Polizeipräsident Winfried Bischler um Amtshilfe gebeten. Bereitschaftspolizisten sollten bei der Sichtung helfen.

Die Halle gehörte den Angaben zufolge einer 2008 pleitegegangenen Archivierungsfirma. Über Monate war sie ungesichert, die Türen waren aufgebrochen und Scheiben eingeworfen worden. Seit wann die Halle ungesichert war, ist aber unklar. Möglicherweise hätten sich Unbefugte bereits vor Wochen Zutritt verschafft. Laut Hasse hätten auch Weinflaschen herumgelegen, Akten seien aus den Regalen geworfen worden. Möglicherweise hätten sich Jugendliche oder Obdachlose dort aufgehalten. Selbst Akten von Insolvenzverwaltern und Personalabteilungen seien in den Aktenbergen entdeckt worden, sagte Hasse. Genauen Überblick habe er aber noch nicht. Mit der Sichtung sei seine Behörde überfordert. Die meisten Dokumente unterlägen noch der Aufbewahrungspflicht und müssten an die Unternehmen zurückgegeben werden.

Es sei möglich, dass einige der rund 250 000 Akten aus dem ungesicherten Lager gestohlen worden seien, hieß es. Die Akten-Archivierungsfirma hatte die Dokumente in dem 3000 Quadratmeter großen Gebäude eingelagert. Der Eigentümer der in Konkurs gegangenen Firma sei derzeit nicht auffindbar und »setzte sich vermutlich ins Ausland ab«, sagte Hasse. Laut MDR riefen die Landesärztekammer Thüringen und die kassenärztliche Vereinigung ihre Mitglieder auf, umgehend zu prüfen, ob sie Patientenakten bei der Firma eingelagert hatten.

Thüringens LINKE-Fraktion will den Fall nach der Sommerpause auch im Landtag diskutieren. Zu klären sei, ob der Archivierungsfirma auch Unterlagen des Landes oder von Thüringer Kommunen übergeben worden seien, betonte die Abgeordnete Sabine Berninger am Montag. Die datenschutzpolitische SPD-Fraktionssprecherin Dorothea Marx nannte den Fund eine »ungeheuere Schlamperei«. Auch die Auftraggeber der Archivierungsfirma müssten sich fragen, ob sie nicht ihre Pflichten verletzt hätten.

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