Lange Gesichter in Kairo nach Burns-Besuch

Hoffnung auf Rückendeckung für IWF-Kredit blieb unerfüllt / Nächtliche Proteste halten an

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei Auseinandersetzungen zwischen ägyptischen Sicherheitskräften und Pro-Mursi-Demonstranten sind in der Nacht zum Dienstag sieben Menschen ums Leben gekommen. Die Übergangsregierung hat derweil auf ihrer Suche nach einem Ausweg aus der Krise einen Rückschlag erlitten: Einen Kredit des Internationalen Währungsfonds wird es nicht geben.

Am Dienstag ist die Lage gespannt, aber ruhig. Es ist Ramadan, es ist heiß - selbst der Konflikt zwischen den Gegnern und den Befürwortern des Umsturzes in Ägypten vor fast zwei Wochen macht deshalb derzeit zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang Pause.

Dafür spitzen sich die Dinge nun in der Nacht zu: Bis in die frühen Morgenstunden protestierten Demonstranten, die der Muslimbruderschaft nahe stehen, am Dienstag im Stadtzentrum in Kairo, und auch anderswo im Land gab es nächtliche Massendemonstrationen, die immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften führen. Die wiederum gehen nach wie vor mit unnachgiebiger Härte gegen die Demonstranten vor.

Mindestens sieben Menschen kamen allein in Kairo ums Leben; zuverlässige Angaben aus anderen Landesteilen gibt es nicht. Ärzte in den Kairoer Krankenhäusern berichten, die meisten der Getöteten seien entweder von Tränengasbehältern getroffen worden oder ihr Kreislauf habe unter dem Einfluss von Ramadan und Hitze den Einsatz des Gases nicht ausgehalten. Zwei Menschen hätten außerdem Schusswunden aufgewiesen.

Die nächtlichen Proteste richteten sich dieses Mal vor allem gegen den Besuch von William Burns, dem stellvertretenden US-Außenminister, der am Tag zuvor zu Gesprächen mit der Übergangsregierung eingetroffen war. Die Muslimbruderschaft wirft den Vereinigten Staaten vor, die Absetzung von Präsident Mohammed Mursi unterstützt zu haben, die aus ihrer Sicht ein Putsch war.

Ein Aussage von Burns, wonach der Umsturz »eine zweite Chance« sei, um den »Traum der Revolution zu realisieren«, versetzte die Demonstranten endgültig in Rage: Die nun Regierenden seien Marionetten der USA, hieß es immer wieder. Doch tatsächlich verliefen die Gespräche wenig harmonisch: Burns mahnte die neue Führung öffentlich, politisch motivierte Festnahmen zu unterlassen und den Dialog mit der Muslimbruderschaft zu suchen.

Seine Mitarbeiter betonten derweil hinter vorgehaltener Hand immer wieder, dass die größte Geste der USA sei, die Ereignisse nicht zum Putsch zu erklären. Denn in diesem Fall müsste Washington die Militärhilfen in Höhe von umgerechnet etwa 1,5 Milliarden Euro jährlich einstellen.

Unerfüllt blieb auch die Hoffnung der Ägypter, dass sich die USA für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds einsetzen könnten, über den bereits die Mursi-Regierung über Monate erfolglos verhandelt hatte. Die Bedingungen dafür seien derzeit für Ägypten inakzeptabel, sagte Planungsminister Aschraf al-Arabi. Gefordert werden von den potenziellen Geldgebern vor allem die Beschneidung von Subventionen für Nahrungsmittel, Gas und Benzin sowie Steuererhöhungen. »Die Zeit ist nicht reif für einen neue Verhandlungsrunde mit dem Internationalen Währungsfonds«, sagte Arabi nach einem Treffen mit Burns sichtlich resigniert.

Ägyptens Führung muss nun auf die Finanzhilfen hoffen, die in den vergangenen Tagen von mehreren arabischen Staaten zugesagt worden waren. Theoretisch reichen sie dazu aus, das Haushaltsdefizit zu schließen, das sich nach Angaben von Arabi derzeit auf umgerechnet rund zehn Milliarden Euro beläuft.

Die Tamarud-Bewegung hat derweil das Angebot eines Treffens mit Burns abgelehnt: »Der Besuch hat für uns keine Bedeutung, weil sich die USA nicht von Anfang an hinter das ägyptische Volk gestellt haben«, sagte Islam Hammam, einer der Anführer der Bewegung.

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