S-Bahn-Tisch gibt noch nicht auf

Nach gescheitertem Volksbegehren will das Bündnis vor den Folgen der Privatisierung warnen

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Volksbegehren zur S-Bahn ist vor Gericht gescheitert, der Berliner S-Bahn-Tisch will aber weiter gegen die Privatisierung des Unternehmens vorgehen. »Juristisch ist nichts mehr zu machen, nachdem das Verfassungsgericht erklärt hat, dass in Sachen S-Bahn praktisch niemand Gesetzgebungskompetenz hat. Aber über die Folgen des jetzt begonnenen Vergabeverfahrens wollen wir weiter aufklären«, sagt Rouzbeh Taheri, Sprecher des Bündnisses aus Gewerkschaften und linken Organisationen.

Zeit genug dafür bleibt den Aktivisten. Denn selbst nach Angaben des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), der die Ausschreibung für die beiden Bundesländer organisiert, wird es noch mindestens bis Ende 2014 dauern, bis feststeht, welches Unternehmen den Zuschlag für den Betrieb der Ringbahnlinien S 41 und S 42 sowie der Zubringerlinien S 46, S 47 und S 8 erhält. »Nach den Verzögerungen und juristischen Auseinandersetzungen, die es bereits im Vorfeld gab, wird dieser Termin aber kaum zu halten sein«, so Taheri. Für ihn wäre es ein einmaliges Experiment, wenn in einem so eng getakteten Netz zwei unterschiedliche Unternehmen davon so große Teile übernehmen. »Das wird auf dem Rücken der Fahrgäste und Beschäftigten ausgetragen«, ist sich Taheri sicher. Denn wie die Zusammenarbeit zwischen den Betreibern organisiert werden soll, sei völlig offen. »Für Verspätungen wird es dann nicht mehr einen, sondern zwei Schuldige geben: Jeder wird es auf den anderen schieben.«

Wie viele Unternehmen sich um die Linien beworben haben, wollte der VBB aus Wettbewerbsgründen nicht mitteilen. Als sicher gilt, dass die Deutsche Bahn, ihre Tochter S-Bahn Berlin GmbH, das französische Staatsunternehmen RATP, das die Pariser Metro betreibt, MTR aus Hongkong und die britische National Express Group sich bewerben. Auch Bahnhersteller wie Bombardier sowie Siemens und Stadler, die auch die Wartung der Fahrzeuge übernehmen wollen, hatten im Vorfeld ihr Interesse bekundet. »Britische Gewerkschafter haben uns schon vor National Express gewarnt. Die versuchen auch in London, Lohndumping zu betreiben«, sagt Taheri.

Unter den S-Bahn-Beschäftigten herrscht deshalb große Beunruhigung. »Es geht um unsere Arbeitsplätze«, fürchtet Triebfahrzeugführer Uwe Krug. Zwar sollen die neuen Betreiber laut Ausschreibungsbedingungen eine Tariftreueerklärung abgeben. »Aber was passiert, wenn die dann hinterher vor Gericht gekippt werden soll, wie das jetzt in Düsseldorf versucht wird?« Außerdem kenne man die Ergebnisse der Ausschreibungen bei der Regionalbahn. »Längere Arbeits- und ungünstigere Dienstzeiten. Was die Kollegen, die heute bei Odeg oder der NEB arbeiten, uns erzählen, klingt jedenfalls nicht gerade ermutigend«, so Krug.

Besonders schlecht kam bei ihnen an, dass sich auch die Fahrzeughersteller an der Ausschreibung beteiligen wollen, um dann die Wartung der Bahnen zu übernehmen. »Für unsere Kollegen in den Werkstätten war das keine gute Nachricht«, sagt Krug, der sich in der Mitarbeiter-Initiative »100 Prozent S-Bahn« engagiert. Über 1000 Unterschriften habe man schon gesammelt für eine Betriebsversammlung, die sich mit den Auswirkungen der Ausschreibung beschäftigen soll. Aber der Betriebsrat mauere noch.

Krug glaubt, dass in Sachen S-Bahn noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. »Alles ist noch Theorie, so wie der Flughafen. Die Ausschreibung kann aufgehoben werden, wenn sie technisch undurchführbar oder nicht zu verantworten ist.« Nicht zu verantworten ist sie nach Ansicht des S-Bahners, weil nach 2017 »ein großes schwarzes Loch« drohe. Denn dann werde es noch nicht die vom Senat verlangten knapp 400 neuen S-Bahn-Wagen für den neuen Betreiber geben. Selbst wenn er den Zuschlag noch 2014 erhalte, reiche die Zeit nicht mehr zu ihrer Entwicklung und Produktion.

Was nicht einmal mehr der VBB bestreitet. Deshalb muss die S-Bahn die alten Baureihen 485 - sie wurde noch in der DDR gebaut - und 480 länger laufen lassen, obwohl sie spätestens 2018 ihre Zulassungen verlieren. Die Bahn muss sie aufrüsten und den Weiterbetrieb vom Eisenbahnbundesamt genehmigen lassen. »Das wird sich sie sich teuer vom Senat bezahlen lassen«, sagt Taheri. Experten sprechen von wenigstens 100 Millionen Euro.

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