Weser bleibt zunächst unvertieft

Bundesverwaltungsgericht: Europäischer Gerichtshof soll Detailfragen klären

  • Burkhard Ilschner
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Donnerstag für eine kleine Sensation gesorgt – und im gesamten Nordwesten der Republik ein politisches Beben ausgelöst: Im Streit um die geplante Weservertiefung rief das Gericht auf Grund der Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in mehreren Detailfragen den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an.

Das Verfahren wurde ausgesetzt, es darf also nicht weiter gebaggert werden. Bremen und Niedersachsen wollen im Interesse ihrer Häfen die Weser zwischen Flusskilometer 130 und der Stadt Bremen in drei Etappen ausbaggern lassen; die Kosten von über 50 Millionen Euro trüge der Bund. Es geht um Bremerhavens Containerterminal, aber auch um den Hafen der Stadt Brake sowie um den Umschlag der innerstädtischen Bremer Häfen.

Die Länder argumentieren mit der Konkurrenzfähigkeit gegenüber Rotterdam oder Antwerpen, Kritiker verweisen auf fehlenden Bedarf, ungenutzte Alternativen oder stagnierende Umschlagszahlen. Rund 1000 Einwendungen hatte es im Planfeststellungsverfahrens gegeben, fast alle wies die Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Nordwest in Aurich zurück: die Kritik des BUND an Verstößen gegen nationales und europäisches Umweltrecht; die Ängste von Firmen wie Anwohnern um Haus und Grund, weil Schwankungen des Tidenhubs in Folge der Vertiefungen Druckwellen im Grundwasser auslösen könnten; die Befürchtungen von Fischern, Wassersportvereinen oder Gemeinden, ihre Uferbereiche, Siele oder Häfen könnten verschlicken – laut WSD alle »unbegründet«.

Nur die Bauern links des Flusses verbuchten einen kleinen Erfolg: Sie bangten um ihre Weidenbewässerung. Einfacher aber teurer Ausweg: Auf Steuerzahlerkosten wird für rund 50 Millionen Euro ein neues Bewässerungssystem gebaut. Mehrere Kläger ließen sich per »Vergleich« befrieden, die Einwände des BUND hingegen verhandelte das Bundesverwaltungsgericht Mitte Mai. Für die WSD und ihre Auftraggeber aus Politik und Wirtschaft wurde es ein Fiasko: Das Gericht bezweifelte Notwendigkeit und Korrektheit des Verfahrens, kritisierte den Planfeststellungsbeschluss, empfahl der WSD, sich mit dem BUND zu vergleichen. Dem gab die Behörde verbal zwar nach, ließ aber bis Ende Juni keine inhaltlichen Zugeständnisse erkennen; der Vergleich kam folglich nicht zustande. Die Richter hatten u. a. moniert, dass das Projekt nicht in den drei Abschnitten Nordsee-Bremerhaven, Bremerhaven-Brake und Brake-Bremen, sondern in einem Paket geplant worden sei. Diese von Kritikern frühzeitig erhobene Forderung hatte die WSD bewusst ignoriert: Sie hätte Bedarf und Folgen für drei Häfen separat untersuchen und zu den Umweltfolgen in Relation setzen müssen. Weil aber an der Unterweser der Widerstand quer durch alle politischen Lager geht und lokal selbst Mitglieder von Landesregierungsparteien gegen die Vertiefung opponieren, hätte das eine riskante Spaltung bedeuten können.

Nun sitzt der Karren im Weserschlick fest: Die Richter wollen speziell die Wirkung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) für das Verfahren vom EuGH prüfen lassen. Diese WRRL stellt strenge Anforderungen an die Qualität von Fließgewässern und enthält dazu unter anderem ein ausdrückliches »Verschlechterungsverbot«. Formal bedeutet die gestrige Entscheidung zunächst »nur« eine Verzögerung um geschätzte anderthalb bis zwei Jahre. Es gilt aber als nicht ausgeschlossen, dass das EuGH jede Flussvertiefung durch hohe planrechtliche Hürden faktisch unmöglich macht. Das beträfe dann auch die geplante Elbvertiefung für den Hamburger Hafen oder eventuelle Baggerungen in der Ems für die Kreuzfahrtschiffe der Papenburger Meyer Werft.

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