nd-aktuell.de / 18.07.2013 / Kultur / Seite 16

Wer Abenteuer sucht

Linus Reichlin: »Das Leuchten in der Ferne«, ein spannender Roman

Lilian-Astrid Geese

Linus Reichlins Debüt »Die Sehnsucht der Atome« erhielt (2009) den Deutschen Krimipreis. Es folgten zwei Romane um den Brüggener Kommissar Jensen. Mit seinem jüngsten Werk wagt sich der frühere Journalist (Jahrgang 1957, Wohnsitz Berlin) einen Schritt weiter in die Belletristik und schickt einen alternden, von den Zeitungsredaktionen zur Ausmusterung markierten Kriegsreporter ins Rennen.

Moritz Martens heißt er, er lebt in Berlin-Schöneberg und hat für Alltagsberichterstattung wenig übrig: »Die Kollegen lebten eben in einer gewöhnlichen, aber redlichen Welt, in der Keime in Eiern eine große Bedeutung besaßen.«

Aber Martens interessiert sich nun mal nicht für den »für Frösche und Brutvögel nachteiligen Ausbau einer Autobahn oder die dubiose Spesenabrechnung eines Politikers«. Insofern ist er glücklich über die Zufallsbegegnung mit der Neuköllner Halbafghanin Miriam Khalili im Warteraum des Bürgeramtes. Denn die geschiedene Alleinerziehende eines fünfjährigen Sohnes lockt ihn mit einer spannenden Reportage, für die sie zusammen mit einem Profi in der alten Heimat ihres Vaters recherchieren will: Eine als Mann getarnte, bei den Taliban lebende Frau sei bereit auszupacken, verrät sie Martens. Für ein Honorar von zehntausend Dollar. Denn die geheimnisvolle Basha Posh Mahalai alias Pason will fliehen. Miriam, angeblich Fotografin, erzählt dem Journalisten allerdings nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich geht es um ihr eigenes Drama, in dem ihr türkischer Ex-Mann Evren, ihr Halbbruder Dilawar Darozai, afghanische Rebellen, US-Soldaten und die Bundeswehr eine Rolle spielen.

Mehr darf hier nicht verraten werden, denn Reichlin ist als Autor stark, wo es um das Erzeugen von Spannung in einer richtig guten Story geht, und vor allem in den an Reportagen erinnernden Passagen des Romans. Während die Protagonisten des Romans abziehbildflach bleiben, wirken seine Beschreibungen und Reflexionen mitunter arg bemüht. Andererseits heißt es im Klappentext bereits vielsagend, dass dies ein »abenteuerlicher Roman« sei. Wie bei jedem echten Abenteuer wird man also erst nach der Lektüre entscheiden können, ob sie den Einsatz gelohnt hat.

Linus Reichlin: Das Leuchten in der Ferne. Kiepenheuer & Witsch. 304 S., geb., 19,99 €.