nd-aktuell.de / 20.07.2013 / Reise / Seite 30

Ein Augenblick im Schatzkästchen der Natur

Die ionische Insel Lefkada im Westen Griechenlands präsentiert ihre spektakulären Seiten vor allem vom Boot aus

Ekkehart Eichler

»Diese Tour werdet ihr ganz bestimmt nie vergessen«, lehnt sich Nikos weit aus dem Fenster, als wir Punkt zwölf am Hotelanleger seinen schnittigen Flitzer besteigen. Na mal schön auf dem Teppich bleiben, denken wir skeptisch und rekapitulieren diverse touristische Versprechen, die großmäulig als Tiger gestartet und kleinlaut als Bettvorleger geendet waren. Abgesehen davon gilt Lefkada nicht eben als Inbegriff spektakulärer Ferienerlebnisse - genau das verleiht ihr aber gerade jenen spezifischen Reiz, der sie bislang vor Massentourismus bewahrt hat.

Die kleine ionische Insel - vom Festland ganz bequem über eine Schwenkbrücke zu erreichen - punktet in erster Linie mit Ruhe und Frieden in intakter Natur. Mit fast lückenlosem Wald- und Vegetationsteppich. Mit sauberem und glasklarem Wasser. Mit bestem Wind für Segler, Surfer und Kiter. Mit einer Kette fantastischer Stränden im Westen, deren schönste aber nur per Auto erreichbar sind. Und nicht zuletzt mit einer bizarren Gebirgswelt, in die sich urtümliche Dörfer schmiegen.

Die gleichnamige reizende Hauptstadt strotzt vor venezianischen und türkischen Bau- und Stilelementen. Eiserne Glockentürme und die pastellfarbigen Wellblechverkleidungen vieler Häuser setzen originelle Akzente - eine Folge der strengen Bauvorschriften nach dem katastrophalen Erdbeben von 1953.

Ganz am anderen Ende der Insel erhebt sich ihre Hauptattraktion aus dem türkisblauen Meer - der sagenhafte Lefkadische Felsen. Ein steiles weißes Kliff, an das Homer den Eingang zur Unterwelt verlegte. Von dem Sappho, die berühmteste Dichterin der Antike, aus Liebeskummer in den Tod gestürzt sein soll. Und wo der deutsche Archäologe Wilhelm Dörpfeld die Reste eines Apollontempels freilegte. Darauf steht inzwischen der Leuchtturm und warnt vor den Tücken des sturmumtosten Kaps.

In ganz und gar friedfertige Gewässer hingegen brausen wir mit Nikos. Bei postkartenblauem Himmel und einer leichten Brise zunächst die Ostküste runter nach Süden. Und lange dauert es nicht, bis er zum ersten Mal den Motor drosselt und sanft an den verkarsteten Felsen vorbei gleitet. Hinein in eine Sinfonie aus leuchtend blauen und grünen Türkistönen, die mit jedem Meter Fahrt ihre Schattierungen und Muster ändern. Ein Rausch an Farben und goldglitzerndem Wasser, der die Sinne betört und auch in der Südsee schöner nicht sein kann.

»Ich hab›s Euch doch gesagt«, grinst Nikos, als wir wenig später begeistert ins nächste Farbspektakel eintauchen. Diesmal entzückt eine kleine Grotte mit ihrem capriblauen Fluidum. Dann wieder erscheint wie aus dem Nichts ein winziger Strand zwischen den Felswänden, den sich soeben eine mit dem Schlauchboot angereiste Familie für heute gesichert hat. Und auch die Felsen liefern immer wieder Schauspiele: Mal geschichtet wie Baumkuchen. Mal zerfurcht wie alte Gesichter. Mal durchlöchert wie Schweizer Käse. Und immer wieder durchzogen von Höhlen und Grotten.

Nach gut einer Stunde Dauerstaunen stoppt Nikos an einem wundervollen Naturpool und scheucht seine Gäste hinein ins blau schimmernde Vergnügen, »damit Geist u n d Körper was davon haben.« Den Salzgeschmack nach ausgiebigem Bad vertreibt ein eisgekühltes Bier aus der Heckbox - der Mensch braucht wirklich nicht viel, um glücklich zu sein.

Weiter geht‹s. Nach Meganisi, der größten Insel zwischen Lefkadas Ostküste und dem Festland. Auch hier das gleiche Bild: Atemberaubende Kompositionen aus bizarren Felsen, geheimnisvollen Grotten, leuchtendem Meer und dichter Vegetation, die bisweilen direkt aus dem Wasser herauszuwachsen scheint. Und auch hier treffen wir kaum einen Menschen und haben das ganze überwältigende blaue Wunder also fast für uns allein.

Auch das Mittagessen passt perfekt zum Programm. Im beschaulichen Hafen von Vathi macht Nikos fest. Direkt an einer Bilderbuchtaverne, in der wir bei Tomaten, Oliven, Käse, Tintenfisch, Brot sowie einem fabelhaften Red Snapper zum Hauptgang ins Philosophieren geraten: Über die einfachen Dinge des Lebens, in denen so oft der wahrhafte Luxus liegt.

»Genau das müssen wir uns bewahren«, spinnt Hotelbesitzer Zakarias den Faden weiter. »Unsere Natur und unsere Kultur sind ein unglaublicher Schatz und eigentlich alles, was wir haben.« Dieses authentische Griechenland mit unverfälschtem Charakter und Charme müsse deshalb stets im Fokus stehen - für Lefkada wäre Massentourismus schlicht tödlich.

Auch das letzte Kapitel dieses Ausflugs hat es noch einmal in sich. Auf dem Rückweg zu unserem Hotel umrundet Nikos mit uns den zauberhaften Inselzwerg Skorpios. Ein Juwel aus dem Privatbesitz des wohl schillerndsten Griechen aller Zeiten: Aristoteles Onassis. Und kein anderer Ort ist so mit dessen Mythos verbunden wie das 80 Hektar kleine Eiland, das er 1963 für 110 000 Dollar kaufte.

Neben der Luxusjacht »Christina« war Skorpios d i e Bühne für Leidenschaften und Tragödien des exzentrischen Milliardärs. Hier zelebrierte er die Liebesaffäre mit Operndiva Maria Callas ebenso pompös wie die Hochzeit mit Jackie Kennedy im Oktober 1968. Hier beerdigte er 1973 seinen bei einem Flugzeugabsturz getöteten Sohn Alexandros. Hier starb er zwei Jahre später selbst - an gebrochenem Herzen, wie viele meinen. Und auch Tochter Christina liegt auf Skorpios begraben; sie wurde nur 38 Jahre alt.

Für Schlagzeilen sorgte jüngst Onassis-Enkelin Athina, die das laut Testament strikt unverkäufliche Skorpios verpachtet haben soll - an eine russische Oligarchentochter. Über den Preis gebe es nur Gerüchte, murmelt Nikos, »es sollen so um die 100 Millionen Dollar sein.«

Vom Luxusleben des legendären Clans bekommt man vom Boot übrigens nur einen vagen Eindruck. Denn abgesehen von Badestränden und Jachthafen stecken Villen und Infrastruktur in einem dichten Wald aus Oliven- und Obstbäumen. Dem Erlebnis tut das freilich keinerlei Abbruch. Im Gegenteil: Es krönt diese Bootstour, die wir tatsächlich nie wieder vergessen werden. Weil sie Klasse war!