Bildung, Gesundheit, Wohnen

Senat verabschiedet Roma-Aktionsplan - aus der Praxis kommt Kritik

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Als erstes Bundesland hat Berlin diese Woche einen »Aktionsplan zur Einbeziehung ausländischer Roma« verabschiedet. Damit, so heißt es in dem Papier, nehme der Senat »seine Verantwortung wahr, für jeden, der in Berlin lebt, die Möglichkeit für ein menschenwürdiges Leben zu schaffen«. Auch sei man sich der besonderen historischen Verantwortung aufgrund der etwa 500 000 im Nationalsozialismus in Deutschland ermordeten Sinti und Roma bewusst.

Der Plan nennt die Schwerpunktfelder Bildung, Gesundheit und Wohnen. Zum einen sollen die bestehenden Instrumente der Daseinsfürsorge besser geöffnet, zum anderen temporär auch zusätzliche Angebote geschaffen werden. So sollen »Praxislerngruppen« an Sekundarschulen eingerichtet werden, um für zugezogene Jugendliche den Weg zum Schulabschluss zu ermöglichen. Auf dem Feld Gesundheit soll die zuständige Senatsverwaltung einen Notfallfonds für die Finanzierung von Geburten nicht krankenversicherter Frauen bereitstellen. Um unseriöse Vermietungspraktiken zu bekämpfen, sollen Roma in gezielten Veranstaltungen über ihre Rechte als Mieter aufgeklärt werden.

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Der Entstehungsprozess des Plans war indes nicht unproblematisch: »Wir mussten darum kämpfen, überhaupt zu den Treffen eingeladen zu werden«, sagt Marius Krauss von der Roma-Organisation Amaro Foro. In dem Papier steht zwar, dass Roma-Selbstorganisationen miteinbezogen worden wären, laut Krauss geschah dies aber erst auf massiven Druck ihrerseits.

Krauss findet es dennoch begrüßenswert, dass es nun einen Aktionsplan gibt, auch wenn er an der Umsetzung der »schönen Vorhaben« noch Zweifel hat.

Grundsätzlich zufrieden ist auch der Soziologe Christoph Leucht, der Projekte zum Thema Roma berät. »Es ist insgesamt eine große Leistung, dass es jetzt so einen Plan gibt«, sagt er. Er lobt insbesondere, dass in dem Papier explizit auf die Gefahren des Antiziganismus eingegangen wird. Dennoch sieht Leucht auch Probleme: »Der Plan bleibt insbesondere im Bildungsbereich hinter dem zurück, was wir in Berlin schon haben«, sagt er. Die Roma-Mediatoren nämlich, die an Schulen in Mitte, Reinickendorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln tätig sind. Sie sind selbst Roma und können so zwischen Eltern, Lehrern und Schülern mit der nötigen Sensibilität und Kenntnis vermitteln, von der Unterrichtsbegleitung über Hausbesuche bis zu gemeinsamen Gängen zum Amt. »Dieses Projekt wird europaweit beachtet, findet aber in dem Aktionsplan keine Erwähnung«, bemängelt Leucht. Dort wird lediglich von »Sprach- und Kulturmittlern« gesprochen, für die der Senat Mittel bereit stellen will - dass diese möglichst Roma sein sollten, wird nicht gesagt.

Barbara Kirchner sieht das ebenfalls kritisch, schließlich arbeitet die Projektleiterin von »Ein Quadratmeter Bildung« in Moabit seit Jahren eng mit Roma-Mediatoren zusammen. »Ohne diese Zusammenarbeit geht es nicht«, sagt sie. Denn auch die besten Angebote nützten nichts, wenn sie nicht wahrgenommen würden - und um hier die Zugangsschwelle zu senken, müsse Vertrauen aufgebaut werden. Zwar lobt auch Kirchner die grundsätzliche Idee eines Aktionsplans, auch die Benennung der Problemfelder stuft sie als richtig ein. Schwierigkeiten sieht sie allerdings ebenfalls bei der Umsetzung: »So lange das nur auf dem Papier steht, ist noch nichts getan.« Zahlen, wie viel denn für die Maßnahmen ausgegeben werden sollen, nennt der Aktionsplan nämlich nicht. Dafür, so heißt es, müssten erst die Verhandlungen zum Haushalt abgeschlossen sein. Das kritisierte auch der Rat der Bürgermeister in seiner Stellungnahme zum Aktionsplan: Dieser sei »an keiner Stelle finanziell unterlegt und hat insoweit mehr den Status einer unverbindlichen Absichtserklärung«, heißt es dort.

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