Alles halb so schlimm

Für die Bundesbürger ist Überwachung nicht das wichtigste Thema

  • Steffen Twardowski
  • Lesedauer: 2 Min.
Die mutmaßliche Ausspähung von Bürgern beschäftigt seit Wochen die Medien. Die Menschen reagieren darauf nur wenig besorgt.

Fast zwei Drittel der Bevölkerung erwarten von der Bundesregierung, dass sie mehr gegen die Spähaktionen der amerikanischen und britischen Geheimdienste unternimmt. Das zeigt eine Umfrage von TNS Emnid, für die am Dienstag und Mittwoch 1003 Wahlberechtigte telefonisch befragt wurden. Während im Westen 61 Prozent mehr Einsatz fordern, sind es im Osten 68 Prozent. Auch unter den Anhängern von CDU/CSU finden nur 35 Prozent, dass sich die Regierung bisher ausreichend engagiert.

Doch wenn die Unzufriedenheit so groß ist, weshalb wirkt Angela Merkel kurz vor ihrem Sommerurlaub dann auch bei diesem Thema relativ gelassen? Weil das Thema »Internetüberwachung durch Geheimdienste« zwar Titelseiten und Internetportale prägt, allerdings bei den wichtigen Gesprächsthemen der Bevölkerung dann doch eher im Mittelfeld rangiert. Es spielt gegenwärtig eine etwas größere Rolle als die Eurokrise, und die meint die Kanzlerin ja auch im Griff zu haben.

Als das Hochwasser Süd- und Ostdeutschland erreichte, bestimmte dieses Thema die Aufmerksamkeit der Bevölkerung über Wochen in erheblichem Maße, wie die Grafik zeigt, und diese Präsenz zwang die Koalition zum schnellen Handeln. Allerdings kann sich auch die Ausspähaffäre der Geheimdienste in den kommenden Wochen noch »hochschaukeln«, wenn sie durch weitere Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden aktuell bleibt und die Regierung in der Sommerpause vor dem Wahlkampf so unbefriedigend agiert wie bisher.

Denn immerhin ein Viertel der Bevölkerung vermutet, durch Geheimdienste ausgespäht zu werden. Vor allem die unter 50-Jährigen gehen davon aus, und von ihnen sind heutzutage knapp 90 Prozent privat und zum großen Teil auch beruflich im Internet unterwegs. Gleichzeitig haben sich, das belegen andere Studien aus diesen Tagen, vor allem die jüngeren Wahlberechtigten noch nicht entschieden, ob und wen sie im September wählen.

Unabhängig davon geben 14 Prozent der Befragten an, dass sie ihr Verhalten am Telefon und im Internet ändern wollen, und es reagieren erneut die Jüngeren überdurchschnittlich sensibel. Der ergebnislose USA-Besuch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CDU) und die Beschwichtigungsstrategie der Regierung könnten sich so als Bumerang erweisen.

Der Autor leitet den Bereich Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Linksfraktion im Bundestag.

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