Eigentor mit Nawalny

Klaus Joachim Herrmann über die Freilassun des Kreml-Kritikers

  • Lesedauer: 1 Min.

Der Fall Alexej Nawalny ist spätestens jetzt in aller Munde. Dafür hat nicht nur die russische Gerichtsbarkeit mit dem Wirrwarr um Verurteilung, Haft und Freilassung gesorgt. Konnten selbst Zeugen der Anklage dem vorgeblichen Veruntreuer so recht keinen Schaden nachweisen, ist doch längst genug anderes Unheil angerichtet. Nicht selten werden Probleme, die man am liebsten mit allen Mitteln los würde, nach Art des Eigentors erst wirklich welche. Wenn nun auch jene Russland scharf kritisieren, die es immer gern tun, und mit sich selbst durchaus genug zu schaffen hätten, muss trotzdem nicht alles in Ordnung sein.

Denn nicht über einen kleinen Holzdieb wurde nach allgemeinem Verständnis Gericht gehalten, sondern über einen Oppositionellen. Nawalny schimpfte die Kremlpartei Gauner und Diebe. Dagegen gesetzt wurde der Vorwurf der Unterschlagung als ehrverletzende Mischung aus Raffgier und Heuchelei. Der griff nicht. Zu viele Russen erinnerten sich: Was bei Boris Jelzin im Ausverkauf der Sowjetunion verschleudert wurde, hatte ganz andere Dimensionen und blieb in aller Regel ungestraft.

Der Nachweis redlichen Vermögenserwerbs wird gemeinhin erst gefordert, wenn dem Verdächtigen der Zusatz Kreml- oder Putin-Kritiker beizufügen ist. Dass Nawalny aussichtslos für das Moskauer Bürgermeisteramt kandidieren darf, macht die Botschaft nicht demokratischer.

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