nd-aktuell.de / 22.07.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Caritas beendet Leiharbeit

Beschäftigte sollen beim Wohlfahrtsverband auf Lohn- und Rentenansprüche verzichten

Ulrike Kumpe
Die Caritas trennt sich von ihrer eigenen Leiharbeitsfirma und will die Beschäftigten übernehmen. Allerdings sollen die Mitarbeiter deutlich schlechtere Bedingungen als ihre Stammkollegen akzeptieren.

Zum 1. Oktober beendet die Caritas in Berlin die Leiharbeit. Mehr als 500 Beschäftigte der 100-prozentigen Leiharbeitstochter pro cura Service GmbH sind davon betroffen. Bereits im Herbst 2012 hatte der Wohlfahrtsverband 200 Mitarbeiter übernommen. Allerdings zu schlechteren Bedingungen. Ver.di kritisiert anlässlich der geplanten Einstellung, dass die langjährigen Mitarbeiter als Berufseinsteiger weiter beschäftigt werden sollen. Der Betriebsrat von pro cura fordert, dass die Arbeitsvertraglichen Richtlinien (AVR) in vollem Umfang angewendet werden müssen. Mit der Eingliederung der aktuell verbliebenen 300 Beschäftigten aus der Caritas eigenen Leiharbeitsfirma pro cura Service GmbH könnte die Benachteiligung dieser Angestellten fortgesetzt werden.

Sie werden nur übernommen, wenn sie auf die Anerkennung ihrer Berufserfahrung und Beschäftigungsjahre verzichten. Beides sind für die Beschäftigten zentrale Faktoren zur Bestimmung der Lohnhöhe sowie der Rentenansprüche, die im AVR festgelegt sind. In dem Regelwerk werden etwa Arbeitsbedingungen, Löhne, Urlaubsgeld oder Arbeitszeit festgelegt. Im Gegensatz zu einem Tarifvertrag ist an der Aushandlung der AVR in Kirchen jedoch keine Gewerkschaft beteiligt. Ina Reinwein, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei pro cura, äußerte gegenüber dem »nd«: »Die 300 betroffenen Pflegekräfte haben nur eine Chance auf eine bessere Lohngruppe, und das ist die Berufserfahrung, die jetzt nicht anerkannt werden soll. Die Anstellung bei pro cura bedeutet bereits seit Jahren geringeren Lohn, geringere Nachtzuschläge, aber auch weniger Urlaubstage, im Gegensatz zu direkt bei der Caritas angestellten Mitarbeitern.«

Meike Jäger, Fachbereichsleiterin Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen bei ver.di sagt: »Dieses Vorgehen ist typisch für die Kirche und ihre Wohlfahrtsverbände. Erneut werden getroffene Vereinbarungen und das Kirchenrecht im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausgelegt.« Es könne nicht sein, dass die kirchlichen Wohlfahrtsverbände ein gesondertes Arbeitsrecht für sich in Anspruch nehmen, sich dann aber nicht daran halten. »Es geht ums Prinzip«, so Jäger weiter. Sie werde den Mitarbeitern der pro cura empfehlen, ihre richtige Eingruppierung im Rahmen des AVR einzuklagen.

Barbara Schwemmer, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Caritas Berlin bestätigt, dass die Caritas die bisher bei pro cura Beschäftigten als Berufseinsteiger eingruppieren will. »Es ging um die Beendigung der Leiharbeit. Der Vorteil der Beschäftigten ist unter anderem der Erhalt unbefristeter Verträge und der kirchlichen Zusatzversorgung. Es gäbe darüber hinaus eine Bestandsgarantie.« Die Bestandsgarantie bedeutet, dass niemand einen geringeren Lohn als den bisherigen erhält. Schwemmer betont weiter, dass diese Übernahme mit dem Betriebsrat ausgehandelt worden sei.

Ver.di zufolge wird hier allerdings mit zweierlei Maß gemessen. Bereits 2012 kam es deswegen zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung um das bei den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden eingeschränkte Streikrecht. Für die Betroffenen von pro cura könnten es mehrere Gehaltsstufen sein, die nicht anerkannt werden. Viele von ihnen arbeiten seit mehreren Jahren bei pro cura. Die grundsätzlich wünschenswerte Beendigung von Leiharbeit bei der Caritas bekommt somit einen bitteren Beigeschmack.