Gütersloh (Agenturen/nd). In vielen Städten erhöhen die Mietpreise das Armutsrisiko von einkommensschwachen Familien mit Kindern enorm. In den Ballungszentren landen solche Familien oft unterhalb der staatlichen Grundsicherung, wie eine am Montag von der Bertelsmann Stiftung vorgelegte Studie ergab. Eine Familie, die weniger als 60 Prozent des ortsüblichen mittleren Einkommens verdient, hat demnach in 60 der 100 größten deutschen Städte nach Abzug der Miete im Durchschnitt weniger Geld zur Verfügung als eine Hartz-IV-Familie.
Der Einfluss der Mieten auf die Situation einkommensschwacher Familien ist laut der Studie der empirica AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in den Städten sehr unterschiedlich. So bleiben etwa in Jena einer Familie mit zwei Kindern, die weniger als 60 Prozent des ortsüblichen mittleren Einkommens verdient, nach Abzug der Miete rechnerisch nur 666 Euro pro Monat. Das verfügbare Einkommen liegt damit 43 Prozent unter der staatlichen Grundsicherung, auf die eine vergleichbare Familie ohne Erwerbseinkommen Anspruch hat. In Frankfurt am Main, Freiburg oder Regensburg liegen die Familien nach Zahlung der Miete ebenfalls deutlich unter Hartz-IV-Niveau.
Allerdings kann das regionale Niveau von Einkommen und Mieten auch den umgekehrten Effekt haben. In Heilbronn, wo relativ hohe Durchschnittseinkommen und ein entspannterer Wohnungsmarkt zusammentreffen, hat eine Familie unter den selben Annahmen monatlich 1941 Euro zur Verfügung. Dies sind 66 Prozent mehr als die staatliche Grundsicherung. Auch in Iserlohn, Witten und Bergisch-Gladbach sinkt das Armutsrisiko für Familien mit Kindern durch günstigere Mieten.
Der Mieterbund forderte die Politik zum Handeln auf. »Wir brauchen mehr Wohnungsneubau, insbesondere auch mehr Sozialwohnungen und eine Begrenzung der Wiedervermietungsmieten«, so Bundesdirektor Lukas Siebenkotten. Und Caren Lay von der LINKEN dringt darauf, dass Kommunen das Recht erhalten sollten, Höchstmieten festzulegen.
Unterdessen wird davor gewarnt, dass als Folge der Hartz-IV-Gesetze junge Langzeitarbeitslose heute häufiger auf der Straße leben als noch vor wenigen Jahren. »Das ist eine ganz neue Gruppe«, sagte der hannoversche Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. Für Langzeitarbeitslose unter 25 Jahren gebe es gesetzliche Vorgaben, bei den eigenen Eltern zu wohnen. Da die Betroffenen jedoch oft in instabilen Familien lebten, übernachteten viele von ihnen lieber bei Freunden oder würden ganz wohnungslos, erklärte der Leiter des Diakonischen Werkes im evangelischen Stadtkirchenverband Hannover. Von den rund 940 Wohnungslosen, die im vergangenen Jahr in die zentrale Beratungsstelle der Diakonie in der niedersächsischen Landeshauptstadt kamen, waren nach Diakonie-Angaben 305 unter 25 Jahren - ein knappes Drittel. Dies sei im Vergleich zum Vorjahr, als sich 240 junge Wohnungslose beraten ließen, ein Anstieg von rund 23 Prozent.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/828145.hohe-mieten-machen-arm.html