Unaufgeregtes

Kunst aus dem Hotel »Stadt Suhl«

  • Liane Kotsch
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Hotel Stadt Suhl, erst 1986 in Betrieb genommen aus Anlass der 44. Weltmeisterschaften im Sportschießen und einst ganzer Stolz der kleinsten Bezirkshauptstadt der DDR, bietet heute einen eher trostlosen Anblick. Nach seiner wechselvollen Geschichte in der Nachwendezeit befindet es sich nun im Besitz der TLG Immobilien GmbH Erfurt, ist aber nicht mehr in Betrieb. Vor ein paar Monaten wurde aus dem Gebäude noch einmal Restmobiliar entfernt und es kam zu einem bemerkenswerten Fund: Originalgrafik aus der DDR-Zeit, alles ordentlich gerahmt in extra angefertigten Holzrahmen. Da das Hotel ursprünglich für den gehobenen Anspruch und auch für internationale Gäste konzipiert war, hatte man keine Kosten gescheut und das Haus umfangreich mit Original-Kunstwerken ausgestattet. Nicht nur in den öffentlich zugänglichen Räumen wie den Restaurants oder Fluren und Foyers befanden sich Gemälde, Wandbehänge etc., sondern auch die Zimmer waren mit Originalgrafiken geschmückt. Alle diese Werke hingen tatsächlich noch immer an den Wänden des leeren Gebäudes. Nach dem Fund lagerte die Suhler TLG-Tochter die Werke erst einmal ein, sie wurden gesichtet, katalogisiert und ihr heutiger Marktwert geschätzt. Dabei gab es durchaus Überraschendes zu entdecken. Unter den mehr als 250 Arbeiten waren auch Werke so berühmter Künstler wie Bernhard Heisig, Willi Sitte, Thomas Ranft, Hans Vent, Ronald Paris, Volker Stelzmann, Baldwin Zettl u.a.. Ebenso viele Werke von regional bekannten Künstlern wie Christa Göhler, Manfred Hausmann, Hans Hattop oder Annette Wiedemann. Es lassen sich sogar einige kleine Schätze entdecken. Motivlich sind die Bilder - einem Hotel angemessen - eher unverbindlich bis harmlos, Landschaften und Stillleben dominieren. Aber gerade das verdeutlicht die Kunstsituation in den 1980er Jahren in der DDR: Es gab nicht nur große politisch geprägte Aufträge oder spektakuläre »Kunst-Leistungsschauen« inklusive Skandale, sondern ebenso eine private Produktion der Künstler, die einen zum Ende der 80er Jahre stets wachsenden Kunstmarkt für die Wohnung etc. bedienten. So stellt die »Sammlung« des Hotels nicht nur einen Querschnitt der kommerziellen Privatkunst oder freien Kunst ganz verschiedener Autoren in der DDR der 1970er und 80er Jahre dar, aus denen alle Bilder stammen, sondern sie ist in gewisser Weise in ihrer Zusammenstellung auch ein Zeitdokument: Wer wurde damals vom Kunsthandel und den Käufern geschätzt und gekauft, wer war ausgeklammert usw. Als Annette Wiedemann, auch Leiterin der städtischen Galerie Suhl, die sichergestellten Arbeiten im Frühjahr 2004 zum ersten Mal sah, hatte sie sofort die Idee für eine Ausstellung. Und der Eigentümer, die TLG, stand ohnehin vor der Frage, was aus den Bildern denn nun werden sollte. Die Stadt Suhl und ihr Kulturamt zeigten sich interessiert und ab Mai 2005 überließ die TLG Immobilien GmbH der Stadt das gesamte Konvolut als Dauerleihgabe ohne zeitliche Befristung. Einen Querschnitt daraus kann der Besucher nun in der Galerie im Congress Centrum Suhl (CCS) besichtigen. Anenette Wiedemann, von der auch einige Radierungen das Hotel schmückten, sieht als das Besondere, das Verbindende an diesen Werken in ihrem »Unaufgeregten«, dem Ruhigen und Alltäglichen, das dennoch ganz sachte und versteckt mit Symbolen und Anspielungen aufgeladen ist. Dies ist für sie - neben einigen speziellen Motiven wie Häuserfassaden, die heute kaum mehr als Bildmotiv auftauchen - das typische Charakteristikum der DDR-Grafik aus dem Kunsthandel. Die Schau im CCS kann allerdings nur einen kleinen Teil der »Hotelkunst« vorstellen, der das Gesamtbild etwas verzerrt. Im nächsten Jahr aber bietet sich wieder eine Gelegenheit sich zu erinnern und zu vergleichen: Zum Jahresende ist eine Exposition mit Arbeiten aus den Beständen der Stadt Suhl geplant, die damals angekauft oder in Auftrag gegeben worden sind. Grafik aus den Beständen des Hotels »Stadt Suhl«. Bis 22. 1. 2006, Mo-Fr 13-18, Sa-So 13-17 Uhr. Galerie im Congress Centrum Suhl Friedrich-König-Str. 7, 98527 Suhl, Tel. (03681) 78 83 01
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