nd-aktuell.de / 24.07.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 17

Nachlassende Beitragsmoral

Gewerkschafter sehen die Künstlersozialversicherung in Gefahr

Velten Schäfer
Rund 180 000 freischaffende Künstler und Publizisten werden von der Künstlersozialkasse unterstützt. Die von Staat, Unternehmen und aus Beiträgen finanzierte Versicherung tritt für diese Gruppen wie ein regulärer Arbeitgeber auf. Doch mehr und mehr Unternehmen scheinen nun ihre Beiträge schuldig zu bleiben.

So wünscht sich der Pressemann seine Arbeit: Im April hatte der Journalist Thomas Öchsner im gewerkschaftlichen Magazin »Journalist Online« darüber berichtet, dass die Künstlersozialkasse (KSK) bedroht sei. Drei Monate später versucht eine kleine Bewegung, den berichteten Problemen abzuhelfen - inklusive einer Onlinepetition an den Bundestag. Der in der Petition Nummer 43 188 vorgestellte Text ist wenige Zeilen lang: Er besagt, dass die Deutsche Rentenversicherung dazu verpflichtet werden möge, »im Rahmen ihrer Betriebsprüfungen - spätestens alle vier Jahre - zu kontrollieren, ob die Unternehmen, die freischaffende Künstler und/oder freischaffende lehrende Künstler beschäftigen, ihrer Abgabeverpflichtung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nachgekommen sind«.

Diese Prüfungen, so der Impetus der Petition seien derzeit nicht ausreichend gegeben. Firmen, die vorübergehend einen in der KSK versicherten »freischaffenden Künstler« beschäftigen, müssen nach derzeitiger Rechtslage eine »Künstlersozialabgabe« von 4,1 Prozent auf das Honorar an den Künstler oder die Künstlerin bezahlen. Das allerdings werde zu lax überprüft, so der »Journalist«-Artikel, auf den die Petition offenbar zurückgeht. Der Künstlerversicherung entgingen so jährlich 40 bis 50 Millionen Euro.

Die Künstlersozialversicherung wurde 1983 gegründet, um freischaffende Künstler und Publizisten zu bezahlbaren Konditionen in den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung einzubeziehen. Die KSK tritt bei derzeit etwa 180 000 freischaffenden Künstlern - nicht nur bei Malern und Schauspielern, sondern auch bei etwa 43 000 Publizisten und Journalisten - wie ein Arbeitgeber auf und bezahlt den Arbeitgeberanteil an den Versicherungskosten. Für viele der oft knapp verdienenden »Künstler« wäre das Überleben ohne diesen Zuschuss schwer. Finanziert wird diese Form der Kulturförderung bislang zu einem Fünftel aus dem Bundeshaushalt, zuletzt ging es um 160 Millionen Euro. 30 Prozent sollen die Arbeitgeber beisteuern, die Künstler für einzelne Aufträge beschäftigen. Und mit diesem Beitrag scheint es nun erheblich zu hapern.

Mal wieder, muss man sagen, denn ganz neu ist das Problem nicht. Als zu Beginn der 2000er Jahre plötzlich Massen in die einst für weniger als 15 000 Künstler gegründete Künstlersozialkasse strömten, wussten viele Unternehmen zunächst offenbar nicht von ihrer Abgabenpflicht. Um das System zu retten, musste der Beitrag für die zahlenden Unternehmen auf bis zu 5,8 Prozent im Jahre 2005 angehoben werden. Zwischen 2007 und 2009 kam es dann tatsächlich zu Nachforschungen der Rentenversicherung, die zu Nachzahlungen von über 60 Millionen Euro führten. Doch seit 2010, also dem ersten Jahr der schwarz-gelben Bundesregierung, habe der Elan stark nachgelassen, schreibt »Journalist Online«. 2011 seien gerade mal 560 000 Euro eingetrieben worden - obwohl die Umsätze der potenziellen Verwerter »bereits auf 137 Milliarden Euro jährlich gewachsen sind«.

Unterschrieben haben die Petition bisher rund 35 000 Bürger. Das Quorum von 50 000 Unterschriften innerhalb von vier Wochen nach Veröffentlichung, das in der Regel zu einer Anhörung des Petenten im Bundestag führt, ist also noch nicht erreicht. Die Petition kann noch bis 6. August unter https://epetitionen.bundestag.de unterzeichnet werden.