Thüringen: Zukunft von MOBIT ungeklärt

Land verweigert Kofinanzierung / CDU-Landesregierung lehnt politischen Ansatz von Civitas ab

  • Peter Liebers
  • Lesedauer: 3 Min.
In Thüringen muss das Civitas-Projekt MOBIT, das sich mit der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus beschäftigt, um seine Zukunft bangen, da die Finanzierung für das kommende Jahr noch völlig unklar ist.
Der Freistaat Thüringen ist das einzige ostdeutsche Bundesland, das sich konsequent weigert, MOBIT die erforderliche Kofinanzierung zu gewähren. Derzeit gebe es noch kein Signal, dass sich das im kommenden Jahr ändert, sagte MOBIT-Vorstandsmitglied Ulli Ballhausen gestern in Erfurt. Dabei müssten von der Landesregierung jährlich lediglich 50 000 Euro beigesteuert werden, da 80 Prozent des Gesamtetats vom Bund finanziert werden. Da derzeit auch noch nicht klar sei, ob die neue Bundesregierung das von der rot-grünen Koalition initiierte Programm im bisherigen Umfang fortsetzt, bewege man sich auf sehr dünnem Eis, räumte Ballhausen ein. Das MOBIT-Vorstandsmitglied verwies darauf, dass wegen der fehlenden Kofinanzierung in den vergangenen Jahren bereits eines von ursprünglich zwei Büros geschlossen und ein Drittel der vormals sechs Mitarbeiter entlassen werden mussten. »Ich habe den Eindruck, dass man MOBIT in die linke Ecke stellt, die hier in Thüringen nicht besonders beliebt ist«, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Wolfgang Nossen. Das halte er für ein falsches Signal. Dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hat, belegt die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der Linksfraktion.PDS. Darin wird betont, dass der politische Ansatz von Civitas, »Gewalt und politischen Extremismus mit einem ideologischen und kulturellen Gegengewicht zu begegnen«, weiterhin nicht geteilt werde. Die Abgeordnete der Linksfraktion.PDS, Sabine Berninger, kündigte gestern an, dass ihre Fraktion in der Haushaltsberatung die Landesregierung auffordern werde, endlich einen finanziellen Beitrag zu diesem Projekt zu leisten. Ähnliche Anträge waren in der Vergangenheit regelmäßig gescheitert. Ballhausen warnte nachdrücklich vor den Gefahren rechtsextremistischer Entwicklungen in Thüringen. Dass die NPD bei der jüngsten Bundestagswahl 3,7 Prozent der Stimmen erhielt, sei höchst beunruhigend. Falls eine beim Landesverfassungsgericht anhängige Klage gegen die Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen Erfolg habe, müsse damit gerechnet werden, dass künftig die NPD in den Kommunalvertretungen sitzt, betonte er und schloss die Frage an, ob erst »sächsische Verhältnisse« einziehen müssten. Zugleich verwies er auf eine aktuelle Studie, der zufolge über 20 Prozent der Thüringer zu rechtsextremen Einstellungen neigen. Vor diesem Hintergrund sei die Arbeit von MOBIT unverzichtbar, betonte Ballhausen. Die sei in den Kommunen und gesellschaftlichen Einrichtungen anerkannt und erfolgreich. In der Praxis werde immer wieder ein »erschütterndes Maß an Unkenntnis« über den Rechtsextremismus deutlich, konstatierte Fritz Burschel von der Weimarer Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus bei »Radio Lotte«. Auch dieses lokale Civitas-Projekt, das bisher von der Stadt kofinanziert wurde, hängt am seidenen Faden. Nach dem Einzug einer CDU-dominierten Mehrheit im Stadtrat sei nicht sicher, ob die Finanzierung im kommenden Jahr fortgesetzt wird, sagte Buschel. Nach seiner Darstellung verbreitet sich vor allem die rechtsextremistische Alltagskultur schleichend. Viele Eltern wüssten zum Beispiel nicht, was das für Musik ist, die im Kinderzimmer gespielt wird. In der Klassikerstadt habe deshalb der Satz: »Im Kinderzimmer mal nach dem Rechten sehen«, schon eine makabere Doppeldeutigkeit.
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