Sozialer Wohnungsbau von privat

Bezirke wollen Investoren zu günstigen Mieten verpflichten

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wohnungsbau fand in den vergangenen Jahren in Berlin kaum statt, und wenn, entstanden meist Eigentumswohnungen. Jetzt läuft auch der Mietwohnungsbau an, doch Neubau ist teuer. Mieten ab zehn Euro netto/kalt pro Quadratmeter sind für Normalverdiener kaum erschwinglich. In Frieddrichshain-Kreuzberg hat sich jetzt erstmals ein privater Investor verpflichtet, einen Teil seiner Wohnungen zu deutlich günstigeren Mieten anzubieten.

Auf dem Freudenberg-Areal, einer Brache zwischen der Boxhagener, Holtei- und Weserstraße nahe des Ostkreuzes, auf dem einst die Autozubehörfabrik Freudenberg stand, will die Bauwert-Gruppe 550 Wohnungen errichten, etwa die Hälfte davon Mietwohnungen. Während die meisten laut Unternehmenssprecher Henning Hausmann zu Preisen zwischen elf und zwölf Euro pro Quadratmeter angeboten werden sollen, werden zehn Prozent für 5,50 Euro zu haben sein. Diesen Anteil hat der scheidende Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) dem Investor abgerungen. Und obendrein noch eine Kita mit 90 Plätzen, ein Bürgerhaus als Nachbarschaftstreff sowie eine 5000 Quadratmeter große öffentliche Grünfläche. Wer bauen und damit Gewinn machen will, müsse auch was für die Allgemeinheit tun, so Schulz.

Der Bezirk will das künftig auch von anderen Investoren verlangen, die mehr als 100 Wohnungen bauen wollen. »Wir streben einen Anteil von 20 bis 30 Prozent sozial verträglicher Mieten an«, so Stadtrat Hans Panhoff (Grüne), der den Stadtentwicklungsbereich von Schulz übernehmen wird. Das Ganze soll über städtebauliche Verträge mit den Investoren abgesichert werden. In München oder Hamburg sei dies schon lange üblich, aber dort gebe es landeseigene Wohnungsbauprogramme mit entsprechender Förderung für die Investoren, so Panhoff. »Die Bauherren, die sich bei uns darauf einlassen, können immerhin mit einem Image- und Akzeptanzgewinn rechnen.«

Für das Freudenberg-Areal ist das allerdings noch nicht festzustellen. Für den Bürgerverein Travekiez-Ostkreuz sind die 40 bis 50 verbilligten Wohnungen nur ein »Almosen«, die geplanten Grünflächen viel zu gering. Sie fordern, die Zahl der Wohnungen auf höchstens 320 zu reduzieren und den Grünanteil zu erhöhen.

Panhoff dagegen hält die 5000 Quadratmeter Grün für einen Erfolg. »Das ist ein privates Grundstück, wenn wir mehr wollten, müssten wir es kaufen.« Und Bauwertsprecher Hausmann verweist auf die Relation: »Der benachbarte Traveplatz ist 8000 Quadratmeter groß. Und wir schaffen zudem noch Vorgärten und eine Wegeverbindung durch den Block, die es dort nie gab.« Wegen der Kritik hatte sich der Bürgermeister vom Investor die Wirtschaftlichkeitsberechnung vorlegen lassen. Danach war für ihn klar, dass die Grenze dessen, was man fordern könne, erreicht sei. Andernfalls hätte Bauwert wohl Probleme gehabt, Kredite zu bekommen.

Die verbilligten Wohnungen sollen sich im Standard nicht von den übrigen unterscheiden. Geklärt werden muss noch, wer in sie einziehen darf. Der Bezirk möchte dafür das Belegungsrecht, damit auch ALG-II-Empfänger dort wohnen können.

Nach dem Vorbild von Friedrichshain-Kreuzberg wollen auch andere Bezirke aktiv werden. »Wir haben auch bisher schon private Investoren verpflichtet, sich fürs Gemeinwohl zu engagieren«, sagt Pankows Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Bisher habe sich das vor allem auf den Bau von Kitas und die Anlage von Grünflächen bezogen. »Jetzt geht es auch um Wohnungen. In der Thulestraße plant ein Investor 300 neue Wohnungen auf einem ehemaligen Gewerbehof. Wir wollen ihn verpflichten, zehn Prozent davon für sechs Euro pro Quadratmeter anzubieten, und das über zehn Jahre.« Lichtenberg will innerhalb seines »Bündnisses für Wohnen« Investoren ebenfalls in die Pflicht nehmen. Laut Baustadtrat Wilfried Nünthel (CDU) verhandelt der Bezirk darüber zum Beispiel mit Investoren, die Verwaltungsbauten in der Konrad-Wolf- und Wartenberger Straße zu Wohnungen umbauen wollen.

Der Senat will diese Bestrebungen unterstützen. »Wir arbeiten an einem Mustervertrag, der für die Bezirke Grundlage für die Verhandlungen mit den Investoren sein kann«, so Daniela Augenstein, Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD).

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