Streit um umweltschädliche Kältemittel

Solange Daimler nicht auf neues Klimaanlagengas umsteigt, müssen Franzosen wohl auf neue Mercedes-Modelle verzichten

  • Susanne Götze, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Daimler weigert sich, auf ein neues Kältemittel für Pkw-Klimaanlagen umzusteigen. Deshalb hat Frankreich den Markt für neue Mercedes-Modelle dicht gemacht. Doch auch das neue Mittel ist umstritten.

Mehrere Mercedes-Modelle der A-, B- und SL-Klasse dürfen auf Anweisung der Regierung in Paris derzeit in Frankreich nicht verkauft werden, weil sie das von der EU sanktionierte Kältemittel Tetrafluorethan (R134a) enthalten, das als extrem klimaschädlich gilt. Laut dem Autobauer Daimler gibt derzeit es keine Alternative zu R134a. Seit Januar 2013 müssen jedoch auf Anordnung der EU-Kommission neue Pkw-Typen mit einem Kältemittel ausgestattet werden, das strengere Umweltvorgaben als R134a erfüllt. Einzige Alternative scheint derzeit das unter dem Namen R1234yf bekannte Tetrafluorpropen. Das hält Daimler für gefährlich, weil es leicht entzündlich sei. Andere Autobauer hingegen verwenden es.

Daimler aber will nicht auf R1234yf umstellen. Bei hauseigenen Tests habe es Unfälle gegeben. Deshalb bediente sich der Konzern einer Ausnahmeregelung des deutschen Kraftfahrt-Bundesamtes, die es möglich macht, R134a bis 2016 weiter zu verwenden.

Das französische Umweltministerium will sich darauf nicht einlassen und verweigert die Zulassung der R134a-gekühlten Neuwagen. Ein Urteil Ende vergangener Woche hatte Daimler kurz Aufwind gegeben: Ein Versailler Gericht setzte die Ministeriumsentscheidung für zehn Tage aus. Die Regierung in Paris hält die Blockade aber aufrecht. Deutschland wirft den Franzosen vor, den freien Warenverkehr zu blockieren. Allerdings hat Frankreich einen starken Partner: EU-Industriekommissar Antonio Tajani betonte, R134a komme in der EU nicht mehr auf den Markt.

Kern des Streits ist die Frage, ob Daimler zu Recht die Einführung von R1234yf verhindert. Immerhin ist es bedeutend teurer als R134a - auch das könnte der Grund für die Weigerung sein.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat zusammen mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung R1234yf bereits 2010 erstmals geprüft und schätzt es ebenfalls als hoch entzündlich ein. Das UBA setzt aber auch nicht auf R134a, sondern auf CO2. Dessen Treibhauspotenzial ist viermal geringer als das von R1234yf. Auch Greenpeace plädiert für die Einführung natürlicher Kältemittel. Der Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck schlägt sich sogar auf die Seite von Daimler: Es sei sinnvoll dem Autobauer eine vorübergehende Nutzung von R134a zu erlauben, um in dieser Zeit nach Alternativen zu suchen. Für Lohbeck hat die EU versagt, die schon längst fluorbasierte Kältemittel hätte verbieten müssen. Die EU und viele Autohersteller hätten sich einmal mehr der Chemielobby gebeugt.

Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) wie auch der Weltverband der Automobilingenieure (SAE) hingegen stellen Tetrafluorpropen ein gutes Zeugnis aus. Die Entzündung des Kältemittels im Fahrzeuginnenraum sei »kein realistisches Szenario« heißt es in einer VDA-Studie. Daimler hält die Tests für unseriös. Aus Protest verließ der Autobauer zusammen mit Audi und BMW im Februar die SAE-Expertengruppe. Daimler kündigte nun weitere Schritte gegen das Zulassungsverbot in Frankreich an. Entscheidend wird dabei sein, ob die EU R1234yf erneut prüfen lässt.

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