Es schmeckt nach Gefahr

Die Klippenspringer sind bei der WM in Barcelona Publikumsmagnet - eine Deutsche gewinnt Bronze

  • Andreas Morbach, Barcelona
  • Lesedauer: 4 Min.
Klippenspringerin Anna Bader gewann hinter zwei US-Amerikanerinnen bei der berauschenden WM-Premiere die Bronzemedaille.

Mit einem unverbindlichen Lächeln kurbelt der junge Mann auf der Flaniermeile in Barcelonas Jachthafen die Jalousien in seinem kleinen Container nach unten. Es quietscht und wackelt, dann ist der Schutz vor der Nachmittagsonne in der richtigen Position und der Ticketverkäufer erkennt auf seinem Computer wieder etwas. Dabei ist das eigentlich gar nicht mehr nötig. Denn Tickets für die Wettkämpfe der Klippenspringer, die sich in seinem Rücken gerade aus schwindelnder Höhe ins Wasser stürzen, gibt es für keinen der Finaltage mehr. »Alles ausverkauft«, erklärt der katalanische Kartenmann. Bei stolzen Preisen von 37,50 Euro auf der Tribüne und 27,50 Euro fürs Zuschauen aus einer Ecke.

Und so drücken sich in der Moll de la Fusta auch am Dienstag wieder Hunderte Zaungäste an den mit halbdurchsichtigen Planen zugehängten Gittern rund um das WM-Areal die Nasen platt. Die zahlreichen Deutschen unter ihnen wollen vor allem einen Blick auf Anna Bader erhaschen. Die 29-Jährige aus Mainz, Serieneuropameisterin in ihrer Sportart, ging schließlich als eine der Favoritinnen in den Wettkampf mit fünf anderen Springerinnen. Am Ende gewann sie Bronze hinter den US-Amerikanerinnen Cesilie Carlton und Ginger Huber.

In der Vergangenheit sprang Bader, die kurz vor der WM im Playboy die Hüllen fallen ließ, mangels weiblicher Konkurrenz fast immer bei den Männern mit. Das ist in Barcelona anders. Neben Bader führen drei Amerikanerinnen, eine Kanadierin und eine Ukrainerin ihre Sprünge aus 20 Metern Höhe vor. Von atemberaubenden Klippen ist allerdings weit und breit nichts zu sehen. In einem kleinen Zeltverschlag finden die Athletinnen Schutz vor der spanischen Sommerhitze - und wenn sie an der Reihe sind, kraxeln sie ein gewaltiges Gerüst hinauf an ihren Arbeitsplatz.

Es ist ein Anstieg wie in einem gewaltigen Freilufttreppenhaus. Dazu weht inmitten der Großstadt der abenteuerliche Ruf der Branche mit. Weil sich Klippenspezialisten im Rahmen diverser Rekordversuche bei ihren Landungen im Wasser häufiger mal die Beine brachen, schnorcheln direkt neben der Eintauchstelle stets drei Taucher herum, um im Fall der Fälle sofort zur Stelle zu sein. Auch die andächtige Stille, die sich vor jedem Flug über die WM-Stätte legt, vermittelt einen Hauch vom nach Gefahr und Aufregung schmeckenden Lebensgefühl dieser Extremsportler.

Für den Brausehersteller Red Bull ist das der richtige Mix: Die Marketingabteilung nahm das Klippenspringen gewohnt zielgerichtet in sein Repertoire auf und führte vor vier Jahren eine professionelle Weltcupserie ein. Dort wird nicht von Gerüsten wie gerade in Barcelona gesprungen, sondern an atemberaubenden Orten auf den Azoren, Hawaii, Korsika oder in Rio. Aber auch schon mal vom Opernhaus in Kopenhagen oder vom Frachtsegelschiff Rickmer Rickmers in Hamburg.

Ein Segelschiff, das wie die Hoppetosse von Pippi Langstrumpfs Papa Efraim aussieht, ankert auch in der Moll de la Fusta. Die »Par Barcelona« schaukelt nur 20 Meter vom Springergerüst entfernt - und auf seiner linken Seite sitzen sieben ganz in Weiß gekleidete Männer und Frauen. Wie Matrosen sehen diese Juroren aus, und in ihrer adretten Aufmachung schauen sie unter anderem Anna Bader zu, die über das nicht eben saubere Meerwasser vor Barcelona berichtet: »Es ist salzig, ich habe Fische gesehen. Irgendwas lebt da drin, es kann nicht so schlecht sein.« Und nach jedem Sprung applaudieren die Scheinmatrosen sogar dezent.

Sehr dezent war - bevor Red Bull die Szene betrat - auch das Interesse des Weltverbandes FINA an den Klippenspringern. Das hat sich inzwischen geändert - bei ihren Einladungskarten für die WM orientierte sich die FINA einfach an der aktuellen Red-Bull-Liste.

Anna Bader stand drauf. Sie war mit 17 zum Klippenspringen gekommen. Bei einem Urlaub auf Jamaika überredeten sie die einheimischen Jungs, mit ihnen von den Felsen ins Meer zu springen. Bader ließ sich bequatschen, vollführte schon bald von morgens bis abends die wildesten Sprünge. Fünf Jahre später war sie zum ersten Mal Europameisterin - und jetzt eine der Hauptattraktionen bei der WM-Premiere.

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