nd-aktuell.de / 01.08.2013 / Politik / Seite 7

Mehr Stolper- als Meilensteine

Noch viele Hindernisse auf dem Weg einer israelisch-palästinensischen Annäherung

Oliver Eberhardt, Kairo
Vertreter Israels und der Palästinenser haben in Washington erstmals über die Gestaltung von Friedensverhandlungen gesprochen. Die Unterredung sei harmonisch verlaufen, heißt es. Das ist keine Überraschung: Die Unterhändler kennen sich gut. Die Probleme liegen woanders.

Kann es sein, dass die palästinensische Fahne an der Seite steht und die israelische in der Mitte? Und, Moment mal, Israels Fahne erscheint auf dem Foto auch ein bisschen höher als die anderen.

Es sind Kleinigkeiten, auf die die Kritiker und Skeptiker achten, wenn nur das Gerücht von Friedensverhandlungen im Nahen Osten auftaucht, die den Vermittlern in der Öffentlichkeit den Vorwurf der Voreingenommenheit einbringen und in der Folge dazu führen können, dass die jeweiligen Delegationen abrupt vom fünften in den ersten Gang schalten.

Doch als am Dienstag in den palästinensischen Medien die Geschichte mit den Fahnen auftauchte, gaben sich die Verhandlungsführer von Israelis und Palästinensern humorvoll entspannt. »Ich habe die Fahne da nicht hingestellt und auch niemanden aufgefordert, sie da hinzustellen«, sagte Israels Justizministerin Zipi Livni. Und der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat witzelte, er vermute, Livni habe wahrscheinlich vorher ein Stück der palästinensischen Fahne abgesägt. Grund für die lockeren Reaktionen ist allerdings nicht allein die Tatsache, dass tatsächlich mehrere Fahnen abwechselnd in einer Reihe aufgestellt worden waren, und dabei nicht einberechnet wurde, dass auf den Pressebildern nur Ausschnitte davon zu sehen sein werden. Man kennt sich, man ist per du. Man kennt sogar die Positionen des anderen: Livni und Erekat haben sie Dutzende Male durchgesprochen, auf dem Flur in Konferenzpausen; abends an der Bar.

Der Grund, warum diese Gespräche, wie auch die offiziellen Verhandlungen, an denen die beiden bisher beteiligt waren, so extrem kompliziert sind, liegen tatsächlich im großen Formenkreis der einheimischen Politik. Während die israelische Öffentlichkeit zu einem überwiegenden Teil durchaus für einen Deal zu haben wäre und die palästinensische sowieso, ist das bei den Politikern anders.

»Wir haben Probleme in der Regierung«, gibt Livni offen zu. Und Erekat spricht ebenso deutlich über das geringe Ansehen, dass die palästinensische Führung in der Bevölkerung genießt: Man will endlich Wahlen und wird jedes Mal etwas misstrauischer, wenn der Ruf an die Urnen, den Präsident Mahmud Abbas alle paar Monate verspricht, dann doch nicht kommt. Jenes Mal war es der Herbst gewesen und dieses Mal sind es die Verhandlungen, die als Begründungen dafür herhalten müssen, dass es doch nicht zum Votum kommt.

In Israel derweil ist es eine parlamentarische Gemengelage, die eine Regierungsbildung ohne Beteiligung der Rechten unmöglich macht. Wobei Regierungschef Benjamin Netanjahu, der einem Abkommen nach eigenem Bekunden nicht abgeneigt ist, bislang davon ausgegangen war, dass er die Siedlerpartei HaBajit HaJehudi bequem durch die Arbeitspartei ersetzen könnte. Bislang war der einzige Stolperstein der Staatshaushalt. Hier hatte Netanjahu Minuten vor der Abstimmung Anfang der Woche Zugeständnisse gemacht, die dieses Hindernis aus dem Weg geräumt haben.

Nur: Nach dem Kabinettsbeschluss, schrittweise 104 palästinensische Gefangene freizulassen, ist sehr deutlich geworden, dass er ein viel größeres Problem mit seiner eigenen Partei hat.

Das Likud/Beitenu-Wahlbündnis steht kurz vor der Spaltung. Und noch viel mehr als das: Der Likud-Block in sich steht einmal mehr vor der Spaltung. Es gebe absolut keine Chance, dass der Likud einen Deal mit den Palästinensern, der Landtausch und Siedlungsräumungen beinhaltet, mittragen werde, erklärte Moshe Feiglin, der größte Widersacher Netanjahus im Likud. Und eine interne Umfrage unter den Abgeordneten hat ergeben, dass gerade einmal acht in der Verhandlungsfrage auf Seiten des Premierministers stehen.

Wie Netanjahu und Abbas die Verhandlungen vor dem Hintergrund dieser politischen Realitäten vorantreiben wollen, ist eine Frage, auf die ihre Sprecher derzeit die Antwort verweigern.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton begrüßte derweil die geplanten Friedensverhandlungen als »entscheidenden ersten Schritt zu einem dauerhaften Frieden«. Sie sei der Überzeugung, dass ein endgültiges Ende des Konflikts in Reichweite ist.

Fideles Trio: Optimismus für die Kameras zeigen in Washington Palästinenser-Unterhändler Saeb Erekat, US-Außenminister John Kerry und Israels Verhandlungsbeauftragte Zipi Livni.