Lunas geheimnisvolle Kräfte

Neue Studie Schweizer Wissenschaftler: Vollmond beeinträchtigt nachweislich den Nachtschlaf von Menschen

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn der Vollmond am Himmel steht, klagen viele Menschen über Schlafstörungen, und manche fühlen sich am nächsten Morgen wie gerädert. Allerdings ist es Wissenschaftlern bisher nicht gelungen, einen unmittelbaren Einfluss des Mondzyklus auf unseren Schlaf nachzuweisen. So liegt die Vermutung nahe, dass Menschen, die bei Vollmond weniger und schlechter schlafen als gewöhnlich, einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung unterliegen. Will sagen: Wer bei Vollmond ein- oder zweimal schlecht geschlafen hat, geht unbewusst davon aus, dass dies auch weiterhin so sein wird, und konditioniert sich damit selbst.

Die schlafstörenden Wirkungen des Mondes wären danach also umso stärker, je fester wir daran glauben, dass der Mond unseren Schlaf zu stören vermag. Einer neuen Studie zufolge könnte diese psychologische Erklärung in dem einen oder anderen Fall zu kurz greifen. Denn ein Forscherteam um den Basler Chronobiologen Christian Cajochen will jetzt erstmals Hinweise darauf gefunden haben, dass zwischen den Mondzyklen und unserer Schlafqualität mehr als ein nur psychisch vermittelter Zusammenhang besteht.

Für ihre Studie nutzten Cajochen und seine Kollegen die Daten von 33 Probanden, die vor Jahren für einen anderen Forschungszweck mehrere Nächte im Schlaflabor verbracht hatten. Da die damals herrschenden Mondphasen bei der Untersuchung nicht berücksichtigt worden waren, holten die Schweizer Forscher dieses »Versäumnis« nach. Mit einem erstaunlichen Ergebnis, das jetzt im Fachjournal »Current Biology« (doi: 10.1016/j.cub.2013.06.029) nachzulesen ist: Bei Vollmond brauchten die Probanden im Schnitt fünf Minuten länger, um einzuschlafen, und ihre Schlafdauer verkürzte sich pro Nacht um circa 20 Minuten. Darüber hinaus ergab die Auswertung der EEG-Daten, dass die für den Tiefschlaf typische Hirnaktivität bei Vollmond um 30 Prozent vermindert war.

»Aberglaube bewiesen: Vollmond schuld an Schlafstörungen«, titelte daraufhin das Boulevardblatt »Berliner Kurier«. In Wirklichkeit kann bei einer so geringen Probandenzahl von einem Beweis keine Rede sein. Selbst in vergleichbaren Studien mit erheblich mehr Teilnehmern war ein Einfluss der Mondzyklen auf den Schlaf nicht nachweisbar. Zudem sind auch die festgestellten Schlafdefizite alles andere als beeindruckend: »Ob man fünf Minuten länger braucht zum Einschlafen, merkt man gar nicht«, sagt Jürgen Zulley, Professor für Biologische Psychologie an der Universität Regensburg. Und ein nächtliches Schlafmanko von 20 Minuten lasse sich ebenso als zufällige Abweichung von der menschlichen Schlafnorm deuten.

Selbst Studienleiter Cajochen warnt, die jetzt registrierten Zusammenhänge zwischen Vollmond und verminderter Schlafqualität vorschnell kausal zu interpretieren. Das Licht des Mondes zum Beispiel scheidet als Störfaktor aus, denn sämtliche Probanden befanden sich in einem fensterlosen Raum. Außerdem strahlt jede Straßenlaterne stärker als der Vollmond, so dass »lichtfühlige« Menschen eigentlich immer in Gefahr wären, schlecht zu schlafen.

Häufig werden zur Erklärung diverser Mondeinflüsse auf den Menschen die Gezeiten bemüht, die großenteils auf die Schwerkraftwirkung des Mondes zurückgehen. Bekanntlich besteht auch der Mensch zu über 70 Prozent aus Wasser. Daraus folgern manche Esoteriker, dass der Mond in unserem Körper eine Art Mini-Gezeiten erzeuge, die mitunter zu Gewebeverspannungen, Schwellungen und Schlafstörungen führten. Gegen diese »Theorie« wäre zweierlei einzuwenden. Erstens übt der Mond eine viel geringere Gravitationskraft auf unseren Körper aus als beispielsweise eine Schlafzimmerwand. Und zweitens sind Menschen keine Wassersäcke. Unsere Körperflüssigkeiten zirkulieren in abgegrenzten Gefäßen, in denen sie nicht beliebig hin und her geschaukelt werden können. Das heißt, die Gezeitenwirkung des Mondes auf den menschlichen Körper ist gleich null.

Ohne jeglichen wissenschaftlichen Gehalt sind auch sogenannte Mondkalender, aus denen man etwa erfährt, welche Tätigkeiten (Haare schneiden, Warzen entfernen etc.) bei welcher Mondphase besonders gut gelingen. Nicht minder irreführend ist die Behauptung, dass bei abnehmendem Mond geschlagenes Holz (Mondholz) extrem witterungsbeständig und resistent gegen Insektenbefall sei. Deutsche und Schweizer Forstwissenschaftler haben dazu in den vergangenen Jahrzehnten umfangreiche Untersuchungen durchgeführt - mit einem eindeutigen Ergebnis: Die Eigenschaften des oft sündhaft teuren Mondholzes sind von denen gewöhnlicher Holzsorten nicht zu unterscheiden.

Dass der Mond für Menschen gleichwohl von existenzieller Bedeutung ist, wurde von Wissenschaftlern bisher damit begründet, dass er die um 23,5 Grad geneigte Erdachse stabilisiere und so extreme Klimaschwankungen verhindere. Neuere Computersimulationen des US-Astronomen Jason Barnes nähren jedoch Zweifel an dieser Auffassung. Danach sorgt bereits der Riesenplanet Jupiter für eine ausreichend stabile Erdachse. Außerdem folgt aus den Berechnungen, dass ein relativ großer Mond sogar zu erheblichen klimatischen Turbulenzen auf einem erdähnlichen Planeten führen kann. »Ob ein Mond stabilisierend oder destabilisierend wirkt, hängt davon ab, was im Rest des Planetensystems geschieht«, sagt Barnes, dessen Modell zugleich mehr Raum lässt für die Entwicklung »höherer« außerirdischer Lebensformen. Denn solche wurden auf mondlosen Planeten bisher nicht vermutet.

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