Cavaliere mit neuem Beinamen

Der mehrfache Ministerpräsident Italiens Silvio Berlusconi darf als kriminell bezeichnet werden

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Silvio Berlusconi ist ein rechtskräftig verurteilter Steuerbetrüger. Das hat der oberste Gerichtshof in Rom entschieden und die vier Jahre Haft der beiden ersten Instanzen bestätigt. Wie lange ihm verboten wird, öffentliche Ämter zu bekleiden, wird erst in einem neuen Verfahren geklärt.

Nach tagelangem Warten war es am Donnerstagabend weit nach Börsenschluss endlich so weit: Zum ersten Mal wurde der ehemalige Ministerpräsident und Parteichef Silvio Berlusconi rechtskräftig verurteilt: Auch die dritte Instanz, das Kassationsgericht, hat befunden, dass der einstige Regierungschef Italiens ein komplexes System an Scheinfirmen und überteuerten Rechnungen ausgeklügelt hatte, um dem Fiskus Millionenbeträge vorzuenthalten.

Allerdings bedeutet dieser Richterspruch nicht, dass Berlusconi seine Haftstrafe in den nächsten Tagen antreten muss. Von den vier Jahren wurden ihm aufgrund eines Amnestiegesetzes von 2006 drei erlassen; ins Gefängnis muss er aufgrund seines Alters von über 70 Jahren sowieso nicht und erst in ein paar Monaten muss er entscheiden, welche alternative Strafe er vorzieht - Hausarrest oder gemeinnützige Arbeit. Aber all das ist nur noch eine Frage der Zeit und nicht mehr abzuwenden, auch wenn das Heer von Anwälten, das Berlusconi beschäftigt, erklärt hat, dass es mit dem Fall möglicherweise vor den Europäischen Gerichtshof ziehen will, weil Prozess und Urteil ihrer Meinung nach politisch motiviert waren.

Sehr viel komplizierter ist die Frage, ob der Medienmogul aufgrund der Verurteilung sein Amt als Senator verliert. Und wenn ja, ob dies automatisch geschieht oder der Senat darüber abstimmen muss. Das ist keine nebensächliche Frage und das Hauptproblem dabei ist, wie sich die Demokraten (PD) verhalten werden, die mit Berlusconis Partei »Volk der Freiheit« (PdL) zusammen in der Regierung von Enrico Letta (PD) sitzen. Um einem Konflikt vorzubeugen und diese Regierung zu retten, kann es sehr wohl sein, dass Berlusconi »freiwillig« von seinem Amt zurücktritt.

Bisher haben alle Regierungsparteien erklärt, dass sie den »Fall Berlusconi« von der allgemeinen politischen und Regierungssituation strikt trennen wollen - getreu der Devise: so tun, als sei nichts passiert, und einfach weiter regieren. Aber ist das möglich? Berlusconis Leute sagen geschlossen, dass er ihr »Führer« bleiben wird - Verurteilung hin oder her.

Dass man nicht unbedingt im Parlament sitzen muss, um die Politik im Land entscheidend zu beeinflussen, beweist tagtäglich Beppe Grillo, der seine »Bewegung fünf Sterne« fest im Griff hat, ohne selbst im Parlament vertreten zu sein. Aber können die Demokraten damit leben oder verlieren sie so vollends ihre Glaubwürdigkeit als Mitte-Links-Partei?

Berlusconi selbst hat in einer Fernsehansprache nach der Verurteilung keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht im Entferntesten daran denkt, das Feld zu räumen. Er sieht sich als Opfer eines Fehlurteils, das die politisierte und »kommunistisch unterwanderte« Justiz gefällt hat. Im Herbst - so seine Ankündigung - wird er die alte Partei »Forza Italia« neu auflegen und für eine umfassende Reform der Justiz kämpfen. Wie er das als Verurteilter machen will, der nur eine sehr eingeschränkte persönliche Freiheit genießt, bleibt abzuwarten.

Eines ist jedoch schon jetzt klar: Wer gehofft hatte, dass mit einem endgültigen Urteil - egal ob Freispruch oder Verurteilung - endlich etwas Ruhe in die politische Landschaft Italiens kommen würde, hat sich getäuscht. Auch die nächsten Monate werden durch Silvio Berlusconi mitbestimmt werden. Sowohl im Parlament als auch im Gericht. Denn der 76-Jährige kämpft nach mehr als 30 Prozessen verbissen gegen jede weitere Verurteilung - etwa wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit minderjährigen Prostituierten, wofür er erstinstanzlich bereits zu sieben Jahren Haft verurteilt ist.

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