Ein Schloss auf dem Grund des Sees

Das Teufelsseemoor südlich des Müggelsees ist ein verwunschener Ort

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.
Wieso heißt die Jungfernheide Jungfernheide? Fanden im Springpfuhl früher Weitsprungwettbewerbe statt? Erschienen den Erbauern des Engelbeckens göttliche Lichtgestalten? - Die Serie »Ortsgeheimnis« geht der Geschichte und Herkunft verschiedenster Orte und ihrer Namen nach. Im sechsten Teil geht es heute um das Teufelsseemoor.

»Klock, klock«, ruft das pechschwarze Blesshuhn. Gierig schlabbert es Entengrütze mit seinem spitzen Schnabel. Davon gibt es hier genug, das Wasser des Moores ist ganz grün davon. Am Ufer, still wie eine Birke, steht der Graureiher. Er wartet auf einen Fisch zum Frühstück. Zwei Libellen fliegen im Kreis und um die Erlen, die das brackige Wasser des Moores lieben. Die Sonne lugt kurz hervor, verschwindet dann wieder und lässt Knoblauchkröte und Moorfrosch im Halbschatten dösen. Wollgras windet sich zwischen den Wurzeln der Schwarzerle, der es im Moor so gut geht.

Seit Jahrhunderten zieht die Atmosphäre des Teufelsseemoores Besucher in ihren Bann. »Als würde man in ein dunkles, unheimliches Auge blicken«, beschreibt der Historiker Claus-Dieter Spring in seinen Köpenicker Sagen den See. Auf dem Grund des Sees soll nämlich eine Prinzessin leben, einst verbannt von ihrem Vater Ottokar von Böhmen. Dieser hatte ihr hier ein Schloss errichtet, das eines Tages - die Sonne hatte sich just verdunkelt - mit einem lauten Krachen in der Erde versank. Zurück blieb der Teufelssee, aus dem in Vollmondnächten die Prinzessin vom Grunde aufsteigt, um am Ufer nach Männern Ausschau zu halten, die sie erlösen könnten. Bisher hat das jedoch niemand geschafft. Der mutige Erlöser in spe muss die schöne Prinzessin nämlich bis nach Köpenick tragen mit ihr auf dem Arm dreimal die Kirche umrunden.

Blitz und Donner, Bäume, die zu Geistern werden, ein Pfeifen und Kreischen, das die Luft erfüllt, riesige Kröten mit feuerroten Augen - all dem und mehr muss sich der Mutige aussetzt, der dies versucht. Gelegentlich wird auch berichtet von Kutschen mit einer weißen Gestalt auf dem Kutschbock, die von vier Rössern ohne Köpfe gezogen werden. War das der Teufel?

Der Graureiher hat einen Fisch erspäht und saust mit seinem Schnabel ins Wasser. Die Kröten am Ufer halten kurz inne und wühlen sich tiefer in den Schlamm. Ob uns die Kröten wohl von dem Schloss erzählen könnten, würden wir ihre Sprache verstehen? Oder die Fische, wären sie nicht stumm? Eine Gruppe Kinder der benachbarten Waldschule drängt sich am Ufer. »Kiek ma, die schönen Tulpen«, ruft ein Sechsjähriger und nestelt ein Fernglas aus seinem Etui. »Das sind keine Tulpen, das sind Seerosen«, klärt die Erzieherin auf.

Im Lehrkabinett des Landesforstamts werden Kindern Fauna und Flora der Region näher gebracht. Hier sind die Tiere, die es am Teufelssee gibt, von nahem zu sehen - ausgestopft. Dachs, Wildschwein und Rehkitz empfangen einen bereits am Eingang. Drei Ameisenhaufen in Glaskästen sind verbunden durch Röhren, die durch den Raum führen. Ein Geruchskasten gibt bei Druck auf einen Hebel den Geruch von Kiefern, Bienenwaben oder Waldmeister frei. »Der funktioniert leider nicht so gut«, sagt Roni Richter. Sie macht seit einem guten Jahr hier sogenannte Bürgerarbeit. Eigentlich ist sie Grafikdesignerin und sollte helfen, den Lehrpfad zu aktualisieren. Doch dann strich die EU im Rahmen von Natura 2000 zugesagtes Geld. Jetzt macht Richter, was so anfällt. Den Geruchskasten hat sie schon mehrmals aufgeschraubt und gereinigt. »Irgendwie riecht trotzdem alles nach Minze«, meint sie. Dem Moor jedoch gehe es gut, sagt sie. Der Wasserspiegel steige und das Wollgras blühe wieder. Das sei ein gutes Zeichen. Jedoch sterben nun die Birken ab. Sie mögen es nicht allzu feucht.

Ein Entenpärchen schwimmt in die Mitte des Sees, taucht unter. Ob sie wohl die Prinzessin in ihrem Schloss besuchen? Es dauert lange, bis sie wieder auftauchen.

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