nd-aktuell.de / 05.08.2013 / Sport / Seite 18

Gefahr aus dem Gästeblock

Anhänger von Lok Leipzig verderben Saisonauftakt bei Babelsberg 03

Katja Herzberg, Potsdam

Das Saisonauftaktspiel der Regionalliga Nordost hatte es in sich. Bei über 30 Grad wollten beide rundum erneuerten Mannschaften des SV Babelsberg 03 und des 1. FC Lokomotive Leipzig vor etwas mehr als 3000 Zuschauern zeigen, dass sie in der untersten Klasse des deutschen Profifußballs mithalten können.

Die Spieler verausgabten sich sichtlich, die gastgebenden Nulldreier kamen zu zahlreichen Torchancen und gewannen am Ende verdient mit 1:0. Für Schlagzeilen sorgte aber nicht nur der Treffer des Tages des Stürmers Süleyman Koc. In der 26. Spielminute setzte sich der Publikumsliebling gegen drei Lok-Spieler durch und netzte aus der Drehung ins linke Eck ein.

Koc, der noch in den nächsten Wochen zum Zweitligisten Paderborn wechseln könnte, machte an diesem Tag den sportlichen Unterschied. Vor und nach seinem Tor spielte aber weniger das Geschehen auf dem Platz die Hauptrolle als ein erschreckendes Auftreten einiger Personen im Gästeblock. »Ich hoffe, es wird auch Fußball gespielt«, schrieb eine Person bereits Tage vor der Partie im Internetforum der Babelsberger als Antwort auf Drohungen von Lok-Anhängern. Und lag mit der Befürchtung nicht falsch.

Kurz vor Anpfiff kletterten etwa 30 Personen aus dem Gästeblock über mehrere Zäune und gelangten ungehindert an wenigen Ordnern vorbei zu den Babelsberg-Fans in der Nordkurve des Karl-Liebknecht-Stadions. Es kam zu einer Prügelei, erste Gegenstände flogen. Die Gewalttäter zogen sich erst wieder zurück, als Polizisten hinzukamen. Von denen war kurz vor Spielbeginn im Stadion nichts zu sehen.

Denn bereits vor den Toren des Auswärtssektors des Karl-Liebknecht-Stadions suchten Lok-Anhänger gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Die Gäste stürmten teilweise den Block. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, setzte sie Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Während sich wenig später die Fußballer auf dem Platz mühten, schallten aus dem Gästeblock immer wieder neonazistische Parolen. Es blieb nicht nur bei den Klassikern rechter Fußballchöre wie »Arbeit macht frei« und »Zick-zack Zigeunerpack«.

Auch auf den Nationalsozialistischen Untergrund (»NSU«) sowie den rechtsradikalen norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik wurde Bezug genommen. Die Gastgeber antworten mit den Parolen »Nazi-Schweine« und »Alerta Antifascista«. Die Scharmützel verlegten sich auch auf Wurfgeschosse. Die mit Wasser befüllten Luftballons aus der Nordkurve wurden mit Steinen beantwortet, die wiederum zurückgeworfen wurden.

Unvermittelt stürmten in der zweiten Halbzeit erneut ein paar dutzend Lok-Anhänger in Richtung der Babelsberger und auf den Platz. Das Spiel wurde für acht Minuten unterbrochen, die Spieler flüchteten in Richtung Kabinen, blieben aber auf dem Feld. Diesmal griff die Polizei, die inzwischen einen Puffer in einem abgesperrten Block bildete, rascher ein und trieb die Meute zurück in den Gästeblock. Nichtsdestotrotz flogen immer wieder Gegenstände, aus beiden Blöcken musste je eine Frau mit Platzwunden im Krankenhaus behandelt werden. Nach Abpfiff blieben weitere Eskalationen immerhin aus.

Die Mannschaft von Lok Leipzig ging sogar zum Abklatschen zu ihren »Fans«, die Nordkurve feierte ihre siegreiche Elf. Die Vorkommnisse trübten jedoch die Stimmung vieler Babelsberger. »Wir sind davon ausgegangen, dass es brenzlig werden kann«, sagt Roman Böttcher vom Fanbeirat des SV Babelsberg gegenüber »nd«. »Aber wir hatten gehofft, dass Polizei und Ordnungsdienst solche Angriffe verhindern«. Zwar sei die Begegnung als Sicherheitsspiel eingestuft worden, doch das Konzept der Polizei habe völlig versagt. »Die Polizei hat die Lage unterschätzt«, meint Böttcher, der auch an Sicherheitsbesprechungen im Vorfeld teilgenommen hatte. Vereinsmitarbeiter gaben an, am Montag eine Aus- und Bewertung des Geschehens vorzunehmen.

Trainer Cem Efe sagte nach dem Spiel, dass so etwas nicht passieren dürfe. »Wir machen die schönste Sache der Welt, wir spielen Fußball, da sind Emotionen gut, aber man muss sich auch im Griff haben«, so Efe. Die Bilanz der Polizeidirektion West bestätigt, dass die Ereignisse von Sonnabend ein Nachspiel haben müssen: »Insgesamt wurden sechs Strafanzeigen hauptsächlich wegen Sachbeschädigungen und wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen aufgenommen. 15 Platzverweise wurden ausgesprochen und zwei Personen in Gewahrsam genommen«, hieß es in einer Mitteilung an die Presse. Der Nordostdeutsche Fußballverband und Lok Leipzig waren am Sonntag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Dass der sächsische Verein sein Problem mit rechten und gewaltsuchenden Fans zu ignorieren scheint, lässt aber schon die Äußerung des Vizepräsidenten René Gruschka während der Spielunterbrechung vermuten. Als ihm der Stadionsprecher das Mikrofon reichte, um die Lok-Anhänger zu beruhigen, sagte er ledigleich: »Lasst Euch nicht provozieren.«