Kein Schnitzel am Donnerstag

Grüne fordern »fleischfreien« Kantinentag

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Stell dir vor es ist Donnerstag, und in der Kantine gibt es nur vegetarische Gerichte. Sollten sich die Grünen mit ihrem Vorschlag durchsetzen, dann wird aus dieser Vision bald Realität. Während Union und FDP den Vorschlag als Bevormundung abtun, zeigen die Zahlen, dass der Fleischverbrauch in Deutschland ohnehin rückläufig ist.

Schweine würden Grüne wählen. Die Ökopartei will nach der Bundestagswahl einen fleischlosen Tag in Kantinen einführen. So hofft man, den Fleischkonsum in Deutschland zu senken. An einem sogenannten Veggieday soll demnach einmal in der Woche ausschließlich vegetarisch oder vegan gekocht werden, sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast, der »Bild«-Zeitung vom Montag. »Ein Veggie Day ist ein wunderbarer Tag zum Ausprobieren, wie wir uns mal ohne Fleisch und Wurst ernähren«, so Künast.

Kein Schnitzel in der Kantine? Beobachter hätten gewarnt sein müssen. Bereits im Wahlprogramm der Grünen heißt es: »Öffentliche Kantinen sollen Vorreiterfunktionen übernehmen. Angebote von vegetarischen und veganen Gerichten und ein Veggie Day sollen zum Standard werden.«

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gab sich am Montag als Retter der deutschen Wurst. Gegenüber der »Neuen Westfälischen« betonte Gröhe: »Der abstruse Vorschlag von Frau Künast ist ein weiterer Baustein für die grüne Bundes-Verbots-Republik: Jetzt wollen uns Trittin, Roth & Co. auch noch vorschreiben, was wir wann essen dürfen.«

Befeuert wird die Debatte vom Wahlkampf und dem weit aufgerissenen Sommerloch. Denn den Veggieday gibt es bereits. »In Bremen haben wir schon vor drei Jahren damit begonnen«, so Christiane Schwalbe, ehrenamtliche Mitarbeiterin der Bürgerstiftung, die das Projekt damals begleitete. Selbst SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen habe den Veggieday unterstützt, betonte Schwalbe gegenüber »nd«. »Es gibt zwar keine aktuellen Statistiken, doch öffentliche Kantinen, einige Schulen und Kindergärten machen da immer noch mit.«

Fakt ist: Ein hoher Fleischkonsum gefährdet die Gesundheit. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, wöchentlich maximal 600 Gramm zu verzehren. »Fleisch ist nicht überlebensnotwendig«, meint Gisela Olias von der DGE. Dennoch essen gerade Männer mehr als ihnen und ihrem Körper gut tut. Massiver Fleischkonsum ist mittlerweile vor allem ein Problem der Unterschicht. So zeigt eine Untersuchung der Fleischindustrie, aus der »Zeit Online« 2011 zitierte, dass »mengenorientierter Fleischkonsum out« sei - und zwar vor allem bei den »gesellschaftlichen Leitmilieus«.

Auch die Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie belegen diesen Trend. Wer gut verdient und über einen höheren Bildungsabschluss verfügt, greift öfter zu Obst und Gemüse. »Fleisch droht zum Unterschichtprodukt zu werden«, warnte Achim Spiller, Professor für Lebensmittelmarketing an der Universität Göttingen, bereits 2009 in der »Welt«.

Dieser Trend macht sich auch in den Schlachthäusern bemerkbar: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes war 2012 ein denkwürdiges Jahr. Erstmals seit 15 Jahren war die Fleischproduktion rückläufig. 58,2 Millionen Schweine wurden im letzten Jahr in Deutschland getötet. Das waren 1,4 Millionen Tiere weniger als 2011.

Wie dramatisch der Rückgang ist, zeigt sich beim Blick auf die Zeitachse: Im Jahr 1988 verzehrte jeder Deutsche pro Jahr rund 70,3 Kilogramm Fleisch. 25 Jahre später lag der Verbrauch bei nur noch 59,5 Kilogramm.

Die Rettung könnte aus der Retorte kommen. So präsentierten Forscher aus den Niederlanden am Montag eine aus Rinderzellen gezüchtete Boulette. Das Team um Mark Post von der Universität Maastricht nutzte dafür Muskelgewebe aus Rinderzellen, das von einer Nährlösung versorgt wurde. Wie der Professor betonte, könne das gezüchtete Fleisch große Probleme lösen. In zehn bis zwanzig Jahren, so hofft Post, könnte es das Fleisch aus der Retorte, für das kein Tier sterben muss, bereits in jedem Supermarkt geben.

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