nd-aktuell.de / 06.08.2013 / Sport / Seite 19

Doping: Neue Opfer, neue Täter

Uwe Trömer vom Doping-Opfer-Hilfe-Verein könnte sich auch ein neues Dopingopferhilfegesetz vorstellen

Am späten Montagnachmittag wurden Abschlussberichte der Studie zur Dopingvergangenheit der alten Bundesrepublik doch veröffentlicht. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft stellte nach langer Kritik 501 Seiten der Forscher aus Münster und Berlin auf www.bisp.de. »nd« sprach mit Uwe Trömer über Konsequenzen für westdeutsche Täter und neue Opfer.

nd: Haben Sie die Ergebnisse der Dopingstudie überrascht?
Trömer: Nein. Der Doping-Opfer-Hilfe-Verein (DOH) macht ja schon seit Jahren auf Doping in ganz Deutschland aufmerksam. Auch durch unsere Zusammenarbeit mit Professor Werner Franke sind wir in die Thematik schon über Jahre involviert. Was allerdings mögliches Minderjährigen-Doping anbetrifft, bin ich schon überrascht. Denn egal ob Ost oder West - dazu gehört ja eine Menge kriminelle Energie. So etwas darf auch nicht unbestraft bleiben.

Montagnachmittag ist die Studie nun veröffentlicht worden ...
Es ist in den letzten Tagen sehr viel Druck auf die Politik entstanden. Der DOH hat immer in Sachen DDR-Vergangenheitsbewältigung gekämpft - nun geht es nicht an, dass an der Stelle, wo es um Doping West geht, die Akten geschlossen werden sollen.

Haben sich je Dopingopfer West an Sie gewandt?
Es gibt langsam auch ein paar Kontakte zu Leuten aus den alten Bundesländern, da passiert eine vorsichtige Annäherung.

Rechnen Sie mit einem Zulauf in den nächsten Monaten?
Ich könnte es mir vorstellen, denn wir reden hier ja auch über einen relativ großflächigen Betrug, mit allerdings gravierenden Unterschieden zum DDR-System.

Welche?
Das Staatsdoping in der DDR war komplett anders strukturiert, es ging nach Staatsplan weisungsmäßig von oben nach unten. Und die Sportler haben letzten Endes nicht wirklich gewusst, was sie da verabreicht bekamen. Beim Doping West gab es verschiedene Fraktionen: Sportler, die gesagt haben: Ich nehme das, wenn es hilft und mich konkurrenzfähig macht. Und jene, die gesagt haben: nein, ohne mich. Bei den Trainern war es ebenso aufgeteilt in Befürworter und Gegner. Und in der DDR wurde noch dazu versucht, zu vertuschen, wie mit der Gesundheit oder gar dem Leben der Menschen gespielt wurde.

Die Vertuschung Doping hat ja auch in der Bundesrepublik gut funktioniert!
Wenn man Professor Giselher Spitzer im Aktuellen Sportstudio zugehört hat, wie Akten geschreddert wurden, erinnert das schon sehr an das, was einst bei der Staatssicherheit passiert ist. Jetzt muss aufgearbeitet werden. Man kann ja nicht DDR-Trainer und Mediziner wegen Körperverletzung verurteilen und auf der anderen Seite solche Leute wie die Telekom-Ärzte Heinrich und Schmidt, die in der Freiburger Tradition eines Professor Keul gewirkt haben, mit Ministrafen wie 90 Tagessätzen davonkommen lassen. Wir müssen im Sport endlich Konsequenzen ziehen.

Welche?
Dopinggesetze müssen her. Es muss juristisch eindeutig als Straftat gewertet werden. Beim Doping ertappte Sportler und Trainer dürfen nicht mehr mit Steuergeldern alimentiert werden. Sonst kommen wir aus diesem Teufelskreis nie heraus.

Brauchen wir ein neues Dopingopferhilfegesetz?
Man sollte noch einmal darüber nachdenken, wenn dieses Kapitel gesamtdeutscher Sportgeschichte nun auch in der Politik angekommen ist. Es existiert ja ein solches Gesetz, das zeitlich befristet war. Das sollte wieder entfristet werden. Und dann müssen wir zusehen, dass wir mit den Dingen, die jetzt langsam an die Oberfläche kommen, nun auch noch einmal die Sportgeschichtsschreibung der Bundesrepublik überarbeiten.

Vergangenes Wochenende wurde sich einerseits über das Westdoping empört und andererseits das WM-Scheitern der Schwimmer beklagt. Wie finden Sie das?
Der Sport macht sich doch unglaubwürdig. Es wäre jetzt wichtig, dass gerade wir Deutschen mit unserer Vergangenheit jetzt einen sauberen Strich ziehen: Wir streichen Weltrekorde, die in den letzten Jahren maßgeblich unter Dopingmitteln erreicht wurden, egal welche Sportart es ist. Die Qualifikationszeiten für internationale Wettkämpfe, für Weltmeisterschaften, Olympische Spiele im Schwimmen und so weiter: Die sind doch Wahnsinn! Gehen wir doch einfach mal als Beispiel voran und geben uns zur Not mit hinteren Plätzen zufrieden! Hier könnte das große Deutschland doch einmal die Vorreiterrolle einnehmen.