nd-aktuell.de / 10.08.2013 / Kommentare / Seite 27

Angst vor der Friedensbewegung

Ute Finckh-Krämer

»Wie hältst du’s mit der Sachbeschädigung?« ist eine immer wieder aufgeworfene Frage in der Friedens- und Antikriegsbewegung. Welche Gründe sprechen dagegen, im Rahmen antimilitaristischer Aktionen nicht nur gewaltfreie Aktionen wie Sitzblockaden einzusetzen und damit militärische Abläufe zu behindern, sondern gegebenenfalls auch militärische Ausrüstungsgegenstände zu zerstören?

Es soll hier nicht um die Pflugscharaktionen gehen, bei denen Atomwaffen oder ihre Trägersysteme symbolisch beschädigt werden. Bei diesen Aktionen, wie sie etwa Wolfgang Sternstein in Deutschland oder die Brüder Berrigan in den Vereinigten Staaten durchgeführt haben, ist es Teil des Konzepts, sich festnehmen zu lassen und den dann unweigerlich folgenden Gerichtsprozess, meist samt einer darin verhängten Gefängnisstrafe, als Bestandteil der Gesamtaktion auf sich zu nehmen. Thema dieses Artikels sind vielmehr Aktionen, bei denen die Täterinnen und Täter möglichst unerkannt bleiben wollen, so dass für die Öffentlichkeit – wenn der Anschlag gelingt – nur die Sachbeschädigung als solche und ein eventuelles anonymes Bekennerschreiben, aber keine handelnde Person mit ihren Motiven und Gründen sichtbar werden.

Anonyme Sachbeschädigung macht Angst. Selbst ein Bekennerschreiben hilft nicht viel weiter. Es lässt sich oft nicht entscheiden, ob es wirklich von denjenigen, die den Anschlag verübt haben, oder von irgendwelchen Trittbrettfahrern stammt. Mit Menschen, die anonym bleiben, ist keine Diskussion, keine direkte Auseinandersetzung möglich. Daher ist es schwer einzuschätzen, was sie als Nächstes tun werden.
Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt nicht, von wem und aus welchem Grund die Bundeswehrfahrzeuge in Havelhöhe angezündet wurden. Versetzen wir uns in die Lage der Menschen dort: Sie haben die Wahl, an eine gewöhnliche Brandstiftung zu glauben – dann müssen sie Angst haben, dass es weitere Brände in ihrem Städtchen gibt, bei denen für sie Gefahr für Leib und Leben bestehen könnte. Oder sie gehen davon aus, dass die Tat von Menschen aus der antimilitaristischen Szene begangen wurde. Dann besteht aus ihrer Sicht »nur« das Risiko, dass weitere Anschläge auf dem Militärgelände verübt werden.

Havelberg ist ein kleines Städtchen, das keine Berufsfeuerwehr, sondern eine freiwillige Feuerwehr hat. Dasselbe gilt für die Nachbarorte. Nach den Pressemeldungen über den Anschlag mussten acht Feuerwehren aus der Region bis in die frühen Morgenstunden löschen. Die Menschen in Havelberg und Umgebung haben Glück gehabt, dass es während des Brandes auf dem Militärgelände in ihrem Einsatzbereich zu keinem weiteren Brand oder zu einem Unfall, bei dem die Hilfe der örtlichen Feuerwehr benötigt wird, gekommen ist. Sie bringen vermutlich nicht das geringste Verständnis für den- oder diejenigen auf, die den Anschlag verübt haben.
Brandstiftung birgt immer das Risiko, dass Menschen zu Schaden kommen. Das gilt auch für eine ganze Reihe anderer Sabotageakte – etwa gegen Verkehrsanlagen oder Hochspannungsleitungen. Die meisten Menschen werden es also begrüßen, wenn der Staat nach solchen Anschlägen Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Obwohl sie vielleicht froh wären, wenn der Staat weniger Geld für Sicherheitskräfte und mehr Geld für Bildung, Verkehrsinfrastruktur oder Soziales ausgeben würde.

Teile der rechtsextremen Szene setzen anonyme Brandanschläge und Sabotageakte als Kampfmittel ein. Die Arbeit gegen Rechts wird erschwert, wenn Linke zu denselben Mitteln greifen wie Rechte.
Wer für eine Welt ohne Gewalt und Unterdrückung kämpft, muss versuchen, andere Menschen von seinen Zielen zu überzeugen. Das geht nur, wenn die Mittel den Zielen entsprechen. »Brandstifter« haben nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenden Sinne einen schlechten Ruf. Die Schadenfreude, die manche nach gelungenen Sabotageakten empfinden (»Da hat es die Richtigen getroffen«), ist langfristig gesehen kontraproduktiv. Wer sich in politischen Auseinandersetzungen in erster Linie darauf konzentriert, dem Gegner möglichst effektiv zu schaden, wird schnell feststellen, dass am Ende beide Seiten verlieren. Gewaltfreie Alternativen im Umgang mit Krieg und Konflikten aufzuzeigen und mit seiner Person dafür einzustehen, ist der einzige Weg zu einer friedlicheren Welt.

Ute Finckh-Krämer hat den Bund für Soziale Verteidigung mit gegründet, deren Co-Vorsitzende sie ist.