nd-aktuell.de / 10.08.2013 / Politik / Seite 16

Fete im Zuckerdorf

In Klein Wanzleben (Sachsen-Anhalt) steht ein großes Jubiläum im Zeichen der Rübe an

Sabine Fuchs, dpa
Wohl kaum ein Dorf in Deutschland wurde von der Zuckerrübe so geprägt wie Klein Wanzleben in Sachsen-Anhalt. Auch Napoleon Bonaparte hat Anteil daran, dass der Ort in diesem Jahr feiern kann.

Klein Wanzleben. In Klein Wanzleben in der Magdeburger Börde dreht sich beinahe alles um die Zuckerrübe: Die stilisierte Pflanze findet sich im Wappen des Ortes, der sich als einziger in Deutschland Zuckerdorf nennt, es gibt ein Zuckermuseum und eine Zuckerfee. In diesem Jahr wird die Rübe besonders gefeiert, denn die Zuckerfabrik Klein Wanzleben ist 175 Jahre alt. »Sie ist damit die Wiege der heutigen Nordzucker AG«, sagt Unternehmens-Sprecherin Tanja Schneider-Diehl in Braunschweig.

Der Ortsbürgermeister von Klein Wanzleben, Horst Flügel, kennt sich in der Geschichte des Zuckerdorfes aus: »Die Börde mit fetten Böden bot gute Bedingungen für den Anbau der Zuckerrübe«, erklärt er. Die Pflanzen seien zunehmend angebaut worden, weil Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts eine Kontinentalsperre verhängen ließ und damit der aus dem Zuckerrohr gewonnene Süßstoff aus Übersee fehlte. Wie Pilze seien so auch Zuckerfabriken aus dem Boden geschossen.

»Viele mussten den Betrieb bald wegen mangelnden Erfolgs wieder einstellen; nicht die in Klein Wanzleben«, sagt Flügel. 1838 gründeten hier 19 Bauern, Handwerker und Gastwirte die Zuckerfabrik. Sie zähle damit zwar zu den ältesten Standorten der Zuckerproduktion in Deutschland, die erste sei Klein Wanzleben jedoch nicht gewesen, sagte Eva Sawadski, Sprecherin der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker. Bereits 1805 habe der Entdecker des Zuckers in der Runkelrübe, F.C. Achard, die erste Rübenzuckerfabrik der Welt im schlesischen Cunern in Betrieb genommen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, erzählt Flügel, sei die Fabrik in Klein Wanzleben oftmals unter großen Schwierigkeiten weitergeführt und schließlich wie viele Betriebe in der DDR zum Kombinat umgebildet worden. Unter dem Namen »Börde« gehörten mehrere Zuckerfabriken dazu. Das Kombinat bestand bis 1990. Nach der Wende übernahm die Nordzucker AG die Fabrik.

»Im Zuge der Reorganisation wurde das alte Werk komplett abgerissen und von 1992 bis 1994 neu errichtet«, sagt die Sprecherin der Nordzucker AG. Die etwa 150 Beschäftigten erzeugten heute während der Kampagne - so nennt der Fachmann die Verarbeitungssaison der Zuckerrüben - 2100 Tonnen Zucker pro Tag. Schätzungsweise vier Millionen Tonnen Zucker sollen nach Angaben der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker im Jahr 2012/13 in Deutschland produziert werden. Im Jahr 2011/12 waren es 4,2 Millionen Tonnen. »Die gesamte pro Kopf und Jahr zur Verfügung stehende Zuckermenge ist in Deutschland seit über 30 Jahren mehr oder weniger konstant und liegt bei etwa 35 Kilogramm«, sagt Sawadski. Dies sei aber nicht identisch mit dem Pro-Kopf-Verzehr. Nicht nur die Süßwaren-, Back- und Getränkeindustrie bräuchten den süßen Stoff, sondern beispielsweise auch die Chemie und die Pharmazie.