Später Fluch alter Sünden

FDP-Kandidatin tritt nach Pädophilie-Enthüllung als Wahlkandidatin in Wiesbaden zurück

  • Von Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit ihrem Verzicht auf die Bundestags-Direktkandidatur in Wiesbaden hat die 53-jährige FDP-Politikerin Dagmar Döring am Wochenende bundesweit Aufsehen erregt und ihrer Partei ein Problem beschert.

Die Unternehmerin und ehemalige Sprecherin des hessischen Justizministeriums Dagmar Döring gab am Samstag über den FDP-Kreisverband Wiesbaden überraschend bekannt, nicht zur Bundestagswahl anzutreten. Damit reagierte sie auf Pädophilievorwürfe im Zusammenhang mit Recherchen des Göttinger Parteienforschers Franz Walter, der Dokumente der »Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule, Päderasten und Transsexuelle« aus der Anfangsphase der Grünen aufgearbeitet hatte.

In einem 1980 erschienenen Buch unter dem Titel »Pädophilie heute« hatte Döring einen persönlichen Erfahrungsbericht veröffentlicht und darin die Forderung nach Legalisierung vermeintlich einvernehmlicher sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern unterstützt. »Nachdem ich nun eine längere, auch sexuell intensivere Beziehung zu einem Mädchen habe, erlebe ich, dass kein Mann und keine Frau, sondern nur ein Kind, insbesondere ein Mädchen, meine Wünsche und Bedürfnisse in Wechselbeziehung zu ihrigen befriedigen kann«, so Döring damals über ihr Verhältnis zu einer Neunjährigen. Weil ihr die »damaligen unreifen Gedanken heute vor allem vor meiner Familie und vor meinen heutigen Weggefährten unvorstellbar peinlich« seien und weil sie »Schaden von meiner Familie und der FDP abwenden« wolle, habe sie ihre Kandidatur zurückgezogen, so die Mitteilung.

Dagmar Döring entstammt einer Aachener Unternehmerfamilie, die als Mehrheitseigentümerin an dem Marmelade- und Süßwarenkonzern Zentis ein Vermögen von über 250 Millionen Euro angehäuft hat und damit auf der Rangliste der 500 reichsten Deutschen Platz 412 belegt. Anfang der 1980er Jahre brach sie aus dem engen Aachener Horizont aus und studierte fernab vom Familienkreis an der Freien Universität (FU) in Westberlin Philosophie, Theater- und Filmwissenschaften. Sie ließ sich acht Jahre Zeit bis zum Magisterabschluss, suchte und fand nach eigenen Angaben »viel mehr Geborgenheit, Ausgelassenheit, Zärtlichkeit, Liebe« als daheim. Von diesem Ausbruch aus dem bürgerlichen Umfeld in der katholischen Domstadt wird sie nun eingeholt. Als Journalistin, die 20 Jahre lang die innenpolitische Szene kommentierte, ahnte sie, dass sie eine Pädophiliedebatte bis zum Wahltag nicht heil überstehen würde. Den Liberalen, die am 22. September im Bund und in Hessen um ihre parlamentarische Existenz und ihren Rang als Regierungspartei kämpfen, wollte sie dies nicht zumuten. Weil Dörings Name vermutlich weiter auf den Stimmzetteln steht, dürfte die Affäre jedoch nachwirken.

In die FDP war Döring erst 2007 im Alter von 47 Jahren eingetreten, als sie ihre Stelle als Pressesprecherin von Landtagsfraktion und Landesverband in Hessen antrat. 2009 folgte sie ihrem Förderer, Landeschef Jörg-Uwe Hahn, in das hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa und wurde dort Leiterin der Pressestelle. Den stressigen Job im Ministerium gab sie 2011 wieder auf. »Auf das Geld war sie als Millionenerbin eh nicht angewiesen«, so ein FDP-Insider gegenüber »nd«.

Dank bester Kontakte zu Hahn und zum Wiesbadener Kreisvorsitzenden und Landeswirtschaftsminister Florian Rentsch wurde sie nach dem Verzicht des langjährigen Abgeordneten Wolfgang Gerhardt auch ohne große Ochsentour als Wiesbadener Bundestags-Direktkandidatin aufgestellt. Ihre Karriere im Rampenlicht der Politik dürfte nun jedoch beendet sein.

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