Hagelkörner wie Tennisbälle

Wenn in Deutschland die Unwetter kommen, sind Dellendoktoren meistens nicht weit

  • Heiko Lossie, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Wenn es Hagelkörner regnet, ruft das eine sehr mobile Branche auf den Plan. Dellendoktoren reisen den Unwettern hinterher. Wenn es lohnt, auch mit gecharterten Ferienfliegern.

Wer an Naturkatastrophen denkt, dem kommen ferne Wirbelstürme oder Erdbeben in den Sinn. Doch im Lokalen brechen auch in Deutschland regelmäßig Naturgewalten los. Ende Juli war es wieder so, beispielsweise östlich von Hannover. Hagelkörner groß wie Tennisbälle zerstörten nahe Peine jedes dritte Dach. Im weltgrößten Automobilwerk, bei VW in Wolfsburg, traf es Tausende Neuwagen. Niedersachsens größter Versicherer VGH meldete Rekordschäden, vergleichbar mit dem Orkan Kyrill 2007.

Bereits als die Autobesitzer die Krater auf ihren Fahrzeugblechen noch ungläubig beäugten, rollten Kolonnen mit Dellenexperten an. Ein kleiner Industriezweig hängt an den Pkw-Schäden. »Wenn es hagelt, ist Saison. Und dieses Jahr ist es wirklich extrem«, sagt Wolf-Henning Hammer, Chef im Bundesverband Ausbeultechnik und Hagelinstandsetzung (BVAT). Er beschreibt ein inzwischen globales Geschäft, getrieben von den Sommergewittern. Eine Handvoll Dellendoktoren dominiere das mobile Geschäft mit den Sammelbegutachtungen im Großschadensfall, sagt Guido Dilk vom Anbieter KHS, ein Gründungsmitglied im BVAT. KHS hat Niederlassungen in Italien, Schweden, der Schweiz, Frankreich und in den USA. KHS-Chef Dilk glaubt, dass das Hageljahr 2013 noch intensiver als 2008 werde.

Damals traf ein Hagelsturm allein rund 30 000 Neuwagen am VW-Werk in Emden und sorgte für einen Großeinsatz der Branche. Laut Hammer vom BVAT charterten Hageltechniker aus dem Ausland Ferienflieger oder mieteten Reisebusse. »Die Technik samt mobiler Büroausstattung ist immer schon fertig verpackt. Denn ein Zeitvorteil ist auf jeden Fall sinnvoll«, sagt Hammer.

Die Dienstleister mieten Scheunen oder bauen gleich mobile »Besichtigungspavillons« auf. Wer wie bei VW an die Großaufträge kommen will, muss Personalpower haben. Der Branchenriese Douteil aus Nordrhein-Westfalen etwa kommt auf einen Fuhrpark aus 100 Fahrzeugen und 50 Anhängern. Und wenn es hagelt, dann klingelt in der Regel bald die Kasse bei den Dellendoktoren. Rund um Autowerke ist der Effekt logischerweise groß. Die Industrieversicherungssparte bei der Allianz berichtet zwar von Schutzmöglichkeiten wie Hagelnetzen, doch immer wieder trifft es das Blech. Die Versicherer sind dann wichtige Helfer. Die Nachfrage ist auch für Kfz-Betriebe ein Standbein. So bieten Handwerkskammern Fortbildungen an zur »Fachkraft für innovative Fahrzeugaufbereitung«. Inhalt: Lackschadenfreie Ausbeultechnik.

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